Die Kurden wollen den Teufel mit Beelzebub austreiben

28. Oktober 2019 Kurt Bracharz
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In der Hall of Fame der dümmsten Sager wird Trumps Bemerkung, die USA müssten den Kurden nicht helfen, weil die Kurden den USA bei der Invasion in der Normandie 1945 auch nicht geholfen haben, zweifellos einen Ehrenplatz bekommen. Dümmer geht es nicht, er hat es ja später auch halb zurückgenommen.

Jetzt, wo die Kurden Assad und damit die Russen zu zweifelhafter Hilfe gerufen haben, hat Trump keinen Plan A mehr und auch keinen Plan B. Allerdings hatte er vermutlich auch schon vorher keinen. Als er kurz vor Beginn der türkischen Militäroperation „Friedensquelle“ eine letzte kleine Gruppe Soldaten aus der Grenzregion abzog, verstanden alle das als Signal an Erdogan, ungestört loszuschlagen. Die Türken stellen es natürlich umgekehrt dar, Trump habe seine Truppen nur aus dem geplanten Einmarschgebiet der Türken abgezogen. Die Angehörigen der US-Administration sind mittlerweile dazu verpflichtet worden, die Behauptung, Trump habe den Türken grünes Licht gegeben, für unrichtig zu erklären. Auf jeden Fall hat Trump das amerikanische Militär gegen sich aufgebracht, die Jungen vor Ort in Syrien und die alten Generäle in den USA, die nun alle seinen idiotischen Dilettantismus aus der Nähe gesehen haben. Das hat vielleicht einen Vorteil: Wenn es sich bewahrheitet, dass Trump nach einem erfolgreichen Impeachment oder nach einer verlorenen Wahl einfach nicht abdankt, sondern sich weiter für den mit allen Vollmachten ausgestatteten Präsidenten hält, der tun kann, was er will, hat er die größte bewaffnete Gruppe der USA, das Militär, nicht hinter sich und kann vielleicht einfach von State Troopers aus dem Weißen Haus entfernt und in eine geschlossene Anstalt gebracht werden.

Dass die Kurden Bashar al-Assad zu Hilfe gerufen haben, ist ihrer Verzweiflung geschuldet, denn auch sie wissen, dass die Syrer ein autonomes kurdisches Gebiet ebenso wenig wollen wie die Türken. Die kurdische Regierung in Rojava – seit 2012 „Demokratische Föderation Nordsyrien“ (DFNS) genannt – strebt lediglich ein gewisses Maß an Autonomie an. Wenn Assad sie gewährte, würde ein Großteil des syrischen Territoriums wieder unter seine Regierungsgewalt fallen, von derzeit 58 % eine Steigerung auf 85 %. Diese Rechnung gilt natürlich auch ohne Gewährung der Autonomie, und wie man Assad bisher kennengelernt hat, wird er das auch so sehen. Sein Vize-Außerminister hat den Kurden bereits Sezessionismus vorgeworfen: Ihre Abspaltung von Syrien habe den Vorwand für die türkische Intervention geliefert. Die Russen schlugen bei Verhandlungen in Qamishli in dieselbe Kerbe, allerdings damit, dass die Kurden zuvor schon die Amerikaner ins Land gelassen hätten. Ein Jet unbekannter Herkunft testete eine US-Basis nahe Ain Issa – die Amerikaner reagierten nicht.

In der Türkei stehen seit der Intervention alle Parteien hinter Erdogan, die Regierungspartei AKP sowieso, die angeblich oppositionelle Republikanische Volkspartei CHP aber ebenso, die Faschisten von der Nationalistischen Bewegung MHP ohnehin, der Hass gegen die Kurden eint Nationalisten, Kemalisten und Islamisten. Wo es kaum noch Juden gibt, sind eben die Kurden an allem schuld.

Auch der IS hat angeblich wieder seine Fahnen aufgerichtet. Da passt es natürlich super, wenn Donald Trump verkünden kann, dass Abu Bakr al-Baghdadi von US-Spezialkommando getötet worden ist. Die Russen bezweifeln das, obwohl sie angeblich den Hubschraubern Durchflugsgenehmigung gegeben haben, und die Nachrichten darüber, welcher Geheimdienst den Amerikanern den Aufenthaltsort des IS-Führers verraten hat, gehen auch auseinander: der irakische oder der kurdische? Letzteres wäre wieder einmal ein Tüpfelchen auf dem i. Das ist wieder Supermaterial für Verschwörungstheorien: Wie kann Trump den in einen Tunnel Geflohenen wimmern gehört haben? Etc.

Noch einmal zu den Russen: Der „Economist“ zeigt in einer Karikatur Putin mit einem mannsgroßen Knäuel von Schlangen in den Armen, der sagt: „Endlich haben wir auch ein Stück vom Mittleren Osten bekommen!“ Sein zweiter Gedanke steht kleiner in der Ecke: „Aber wozu eigentlich?“