Die Gegenwart der Moderne

Hat das große utopische Projekt der Moderne noch Aktualität? Was für ein Potenzial für nachfolgende Generationen und GegenwartskünstlerInnen liegt darin? So fragt das Mumok mit der Sammlungspräsentation "Die Gegenwart der Moderne". Mit rund 150 Werken umfasst die Neuaufstellung Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien, Filme und Architekturmodelle. Wichtige Neuerwerbungen und Schenkungen des letzten Jahres sind in die Präsentation einbezogen – etwa Arbeiten von Tom Burr, Judith Hopf, David Maljkovic oder Carolee Schneemann. Ausgesuchte Leihgaben ergänzen die Ausstellung.

In der Ausstellung stehen zentrale Werke der klassischen Moderne, die frühen Abstrakten und zentrale Arbeiten der Futuristen den Avantgarden der frühen 1960er-Jahre, der Post-Minimal-Art und zeitgenössischen Beiträgen von Isa Genzken über Christopher Wool bis zu Simon Starling gegenüber. In dieser Konfrontation wird abermals deutlich, dass das visuelle Repertoire der Moderne bis heute immer wieder neu ausgelotet wird. Den Strategien, mit denen sich jüngere Generationen zur Formensprache der Moderne in Bezug setzen, wird in der Präsentation genauso Raum gegeben wie den großen Themen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

Zentrale Themen der Neuaufstellung sind Architektur und urbanes Leben sowie Design und Konstruktion. Sie lassen sich von der Moderne – von Albert Renger-Patzsch über László Moholy-Nagy zu Friedrich Kiesler – bis zu Walter Pichler oder Mary Ellen Carroll in die Gegenwart verfolgen. Mit dem im Mumok Kino gezeigten Film "Empty the Pond to Get the Fish" (2008) gibt Runa Islam das Ausstellungsthema paradigmatisch vor: Vor der Kulisse der modernistischen Architektur des 20er Hauses, in dem das Mumok 1962 als Museum des 20. Jahrhunderts eröffnet wurde, beschreibt sie filmisch die Hauptwerke der klassischen Moderne aus dem Sammlungsbestand.

Seltener gezeigte Werke, wie eine Auswahl an Zeichnungen von Josef Hoffmann oder Architekturmodelle von Adolf Loos, Le Corbusier oder Fritz Wotruba, sind neben Klassikern der mumok Sammlung anzutreffen. In der Verschränkung der älteren mit den jüngeren Generationen sind zahlreiche österreichische Positionen zu finden, darunter Arbeiten von Arnulf Rainer, Marc Adrian, Dorit Margreiter, Florian Pumhösl oder Anna Artaker. Die produktive Auseinandersetzung mit den Themen der Moderne zeigt der Film "Black Drop" (2012) von Simon Starling, der einen Planetendurchgang der Venus im historischen Kontext von Darstellungs- und Aufzeichnungsmöglichkeiten analysiert. Er greift damit ein Thema auf, das die Futuristen mit Giacomo Ballas "Merkur zieht an der Sonne vorbei, gesehen durch ein Fernrohr" (1914), einem Hauptwerk des Mumok, als große Vision der Moderne malerisch interpretierten.

Beispielhaft für die Gattungsüberschreitungen in der zeitgenössischen Kunst ist John Baldessaris Arbeit "Color Corrected Studio (with Window)" von 1972 bis 1973. Darin überträgt er die für den Maler Piet Mondrian typische Strukturierung seiner Gemälde in Horizontale und Vertikale auf das Fenster seines Ateliers in Kalifornien. Baldessari übersetzt mit dem "Color Corrected Studio" Fragestellungen aus der Malerei, dem unbestrittenen Leitmedium der Moderne, in Architektur und Fotografie. Aber auch die Bedeutung von Piet Mondrian als großem Universalisten und Vordenker der Moderne wird mit Baldessaris humorvoller Aneignung neu interpretiert.

Der um die Jahrhundertwende aufkommende neue Ausdruckstanz wird in der Ausstellung Die Gegenwart der Moderne mit Beispielen aus der Fotografie im Kontrast mit Entsprechungen in der Malerei des Expressionismus gezeigt. Die Bedeutung des tanzenden Körpers für die Gegenwartskunst erweist sich beispielhaft in Katarzyna Kozyras Filminstallation "Rite of Spring" (1999), einer choreografischen Paraphrase von Igor Strawinskis "Le Sacre du printemps".

Die Maske als das zweite Gesicht ist ein Motiv und Thema, das sich vom 19. Jahrhundert bis in die Moderne zieht. Besonders die Surrealisten konnten dem viel abgewinnen, wie Beispiele von Joan Miró oder Max Ernst zeigen. Aber auch für GegenwartskünstlerInnen hat die Auseinandersetzung mit dem Spiel der Masken nicht an Faszination verloren. In ihrer neuen, bei der Documenta 13 gezeigten Arbeit greift auch Judith Hopf diese Thematik auf. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit dem institutionellen Rahmen der Moderne. So wird etwa Jörg Immendorffs legendäres "Musée d’art moderne" (1989) von anderen Blicken auf das 20. Jahrhundert konterkariert. Anna Artaker etwa überschreibt in "Unbekannte Avantgarde" (2008) die Bilder der großen, männlichen Heroen mit Bildern der verleugneten Frauen der Moderne.

Ob formale oder inhaltliche Referenz, die Neupräsentation der Mumok Sammlung verfolgt die Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart. Im Spiegel der jüngsten Arbeiten aus dem Bestand des Mumok erweist sich die Moderne erneut als noch immer aktueller Bezugsrahmen.


Die Gegenwart der Moderne
14. März 2014 bis 15. Februar 2015