Die Gans im Gegenteil

2. Oktober 2010 Bernhard Sandbichler
Bildteil

... ist eine moderne Fabel, vom Zuschnitt ganz "wie in der großen Dichtung", also etwa bei La Fontaine. Gedichtet hat sie Wolf Haas (dessen Wortakrobatik notorisch ist) zeichnerisch verdichtet von Teresa Präauer.

1. Die Story: Einmal rannte ein Vierbeiner zu schnell, sodass ihm "sein Fell in die falsche Richtung wuchs". Er klagte, was einer andern "zu Ohren kam". Letztere stellte den Urzustand wieder her, ließ sich aber von ersterem nicht fressen. Ganz nach dem geflügelten Wort der Gänse: "Geht’s dem Fuchs zu gut,/sei lieber auf der Hut!" Wer sich das alles bildlich nicht ganz vorstellen kann: Teresa Präauer schafft hier Abhilfe: Kinder werden die Bilder gerne anschauen und die abgedrehte Geschichte gut finden (auch wenn ein bisschen mehr Blut dabei sein hätte können).

2. Der Held: ... ist wie gesagt ein Vierbeiner, ein Fuchs. Er möchte normal sein und sich nicht wegen seines auslockenden Haarwuchses schämen müssen. Dass er sich bei der Heldin, einer Gans, einer Zweibeiner-Flüglerin, nicht bedanken, sondern sie fressen will – allein Teresa Präauers Illustration lässt dies vermuten. Der Text sagt das nicht, er ist ebenso schlau wie der Fuchs.

3. Der Sound: Wolf Haas hat durchgehend paarig oder umarmend oder über Kreuz gereimt. Das ergibt natürlich schöne Sprachmuster. Kinder werden das gut finden, weil es heutzutage relativ ungehörig ist, so was zu machen. Und entdecken werden sie einiges, nur zum Beispiel: "Von einer Glückssträhne beglückt/wird hier eine Glücksträne verdrückt."

4. Coole Worte: Schämfrisur, Windreparatur (in umgekehrter Windigkeit), arschvoran und virtuos

5. Coole Bilder: Teresa Präauer hat 23 wirklich wunderschöne Illustrationen in Mischtechnik (Aquarell, Pastell) beigesteuert. Die Blätter verlocken nicht nur den Fuchs: Man möchte selber probieren, ob man das mit den vielen Strichen und Schichten bis hin zu den Weißhöhungen und Glanzkonturen so hinbringen könnte wie sie.

6. Zum Nachdenken: Man kann sich gerne haben, muss sich aber nicht unbedingt nahe kommen. ("Ich seh’ dich gerne,/am liebsten aus der Ferne.")

7. Das Buch: 40 Seiten im Querformat (21x27cm), schwarz auf hellgrau (sehr angenehm vorzulesen), weiß gerahmt, bunte Spiegelkaschierung, buntes Vorsatz- und Nachsatzblatt (Gänsefedern!), dicker Pappband, gedruckt und gebunden in er Offizin Andersen Nexö, Leipzig, erschienen bei Hoffmann und Campe, einem Unternehmen der Ganske (!) Verlagsgruppe

8. Die AutorInnen: Wolf Haas (*1960) ist einer der besten Krimiautoren des Landes, Teresa Präauer (*1979) studierte Germanistik und Malerei. Ihrer beider Zusammenarbeit ist eine gute Fügung. Wer wohl wen inspiriert hat?