Die erlösende Eloquenz erprobter Dinge

Werner Büttner gehört zu jenen deutschen Künstlern, die Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, die Kunst wieder an die unmittelbare, sozial-politische Wirklichkeit geknüpft haben. Zu seinem Umfeld – gerade auch im Hamburg der 1980er Jahre – gehörten Georg Herold, Albert Oehlen und Martin Kippenberger.

Nachdem wilder Ausdruck und rationales Konzept in ihrer Übersteigerung den Boden unter den Füßen verloren hatten, führten Büttner und seine Gesinnungsgenossen die Malerei wieder in ihr real-gesellschaftliches Dasein zurück. Dabei ließen sie sich für keinerlei System einspannen, sondern übten vor allem eins: den künstlerischen Widerstand.

Büttner hatte eigentlich ein Jurastudium begonnen, fand sich aber bereits währenddessen mit Albert Oehlen zur "Liga zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens" zusammen. Nachdem er das Studium abgebrochen hatte, zog er 1977 nach Hamburg und widmete sich der Kunst. Mit seiner Fähigkeit, das tägliche Leben kritisch zu beobachten, machte er sich daran, Gegenwart und Gesellschaft zu sezieren.

Seine expressive Malweise trügt. Bei näherer Betrachtung eröffnen Bild und zugehöriges Wort – seien es Titel oder begleitender Text – ein Feld von Widersprüchen. Schwer lassen sich seine Bilder adäquat in Worte fassen. Man kann das Dargestellte beschreiben, gerät aber schnell ins Wanken, weil sich die eigentlichen Inhalte in den Zwischenräumen ereignen, die nicht so eindeutig zu benennen sind. Man nehme zum Beispiel die Serie "Probleme des Minigolf in der Malerei" von 1982/83, die für sich genommen bei linearer Annäherung schon einige Deutungsschwierigkeiten aufwirft.

In einer Publikation stellt er den Leinwänden Texte über Rekorde und ihre Enzyklopädie, das Guinnessbuch, zur Seite, was anstelle von Erklärungen eine neue Ebene hinzufügt. Der ironische Witz, der Büttners Arbeiten zu eigen ist, formuliert keine Aussagen, sondern richtet sich in letzter Instanz an das mündige Individuum, das Mut haben möge, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

Für gewöhnlich bezeichnet man Büttner als Maler, obwohl sein Werk auch Skulpturen und Texte, ebenso wie das Restaurant "Jena Paradies" umfasst. Das "Jena Paradies" ist ein Gesamtwerk. Nach dem Bahnhof seiner Heimatstadt benannt, war es in den 1990er Jahre im Kunstverein beheimatet. Es vereint eigens entworfenes Mobiliar, mit Malerei, Ausstellungen und – last but not least – Persönlichkeiten, denn Gastronomie ist immer auch gesellschaftsbildend. Essen und Trinken wurden dabei stets angeführt von der "Fragezeichen-Quadriga" an der Bar.

Diesem sozialen Kunstwerk widmet der Kunstverein nun eine Präsentation in seinem Foyer. Verbindungsglied zwischen dem Erd- und dem Obergeschoss, ist es der zentrale Raum des Kunstvereins und damit idealer Ort für das "Jena Paradies revisited". Das Foyer wird zeichenhaft auf das ehemalige Restaurant verweisen und wechselnden Präsentationen Werner Büttners einen Rahmen bieten. Neben den Ausstellungen wird unter originalen Lampen aus dem Jena Paradies auch ein Veranstaltungsprogramm stattfinden, u.a. Kochperformances (hier sei an die 2-tägige Veranstaltung mit Peter Kubelka im Jahr 2009 erinnert) sowie Vorträge und Diskussionen.

Werner Büttner wurde 1954 in Jena geboren. 1976 Gründung der "Liga zur Bekämpfung des Widersprüchlichen Verhaltens" mit Albert Oehlen, 1980 Einrichtung einer Samenbank für DDR-Flüchtlinge mit Albert Oehlen und Georg Herold, 1981 Gründung der "Kirche der Ununterschiedlichkeit" mit Albert und Markus Oehlen. Zahlreiche nationale und internationale Einzel- und Gruppenausstellungen, z.B. Deichtorhallen Hamburg, Neue Galerie, Graz, ICA London u.v.m. Er lebt in Hamburg und hat seit 1989 eine Professur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg inne.

Die erlösende Eloquenz erprobter Dinge
Jena Paradies revisited

18. Dezember 2010 bis 20. November 2011