Die Berlinale abseits des Madonna-Hypes

15. Februar 2008
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Zwar stand Madonna am Mittwoch bei der Berlinale im Mittelpunkt des Medien- und Publikumsinteresses, doch neben diesem Hype gab es auch das alltägliche Festivalprogramm. Dort präsentierten der Österreicher Götz Spielmann und der Franzose Robert Guédiguian mit "Revanche" und "Lady Jane" zwei packende Filme, die um Rache kreisen.

Dass am Mittwoch Abend ein besonderer Star im Zoopalast erwartet wurde, war kaum zu übersehen. Schon eine Stunde vor Filmbeginn war der Auflauf der Schaulustigen enorm, die vorbeiführende Hauptstraße war gesperrt und ein Polizeiaufgebot war bemüht die Menge im Zaum zu halten: Madonna wurde erwartet, die mit "Filth and Wisdom" auch einen Film mitgebracht hatte. - Was der Superstar und ihr Film zu bieten hatten, lässt sich sicher leicht aus zahlreichen anderen Medien in Erfahrung bringen.

Denn neben Madonnas Film laufen bei der Berlinale noch parallel mehrere andere Filme, die von der Qualität her vielleicht doch interessanter sind. So präsentierte der Franzose Robert Guédiguian im Wettbewerb mit "Lady Jane" einen zwar altmodischen, aber souverän inszenierten Gangsterfilm im Stile der großen Jean Gabin- und Lino Ventura-Filme der 50er und 60er Jahre.

Damals, als die Rolling Stones "Lady Jane" sangen, waren Muriel, Francois und René eine Bande, die Pelze raubten und sie dann "ans Volk" verteilten. Nach einem Überfall auf einen Juwelier trennten sie sich und erst rund 30 Jahre später führt sie die Entführung von Muriels Sohn zusammen. Mit Hilfe ihrer Ex-Kollegen treibt sie das geforderte Lösegeld auf, doch bei der Übergabe muss sie erschüttert feststellen, dass es gar nicht ums Geld, sondern um Rache ging. Und diese Rache scheint nun wiederum einen Gegenschlag nach sich zu ziehen.

Atmosphärisch dicht, weil vorzüglich im Marseiller Milieu verankert, erstklassig aufgebaut und exzellent gespielt entwickelt Guédiguian einen klassischen Gangsterfilm, der einerseits packende Unterhaltung bietet, andererseits auch unprätentiös und ohne je aufgesetzt zu wirken aus der Geschichte heraus sich zu einer Reflexion über existentielle Themen wie Altern, Tod, Freundschaft und Rache entwickelt.

Langsamer, aber nicht weniger dicht erzählt der Österreicher Götz Spielmann in "Revanche", der im "Panorama" der Berlinale läuft. Schon mit dem Eröffnungsbild eines in einen See fallenden Steins wird das Kreise ziehen oder Wellen schlagen einer Tat als zentrales Thema angekündigt. Wie schon in "Antares" erzählt Spielmann auch hier mehrere Geschichten parallel, führt die beiden Erzählstränge im Gegensatz zum Vorgängerfilm aber etwa in der Mitte des Films zusammen.

Der Schwerpunkt liegt am Beginn im Wiener Halbweltmilieu, wo Alex für einen Bordellbesitzer arbeitet. Als dieser die ukrainische Prostituierte Tamara, die Alex liebt, bedrängt, flüchtet das Paar. Um an Geld zu kommen, will Alex eine Bank in der Provinz überfallen, doch dabei wird Tamara von einem Polizisten getötet. Alex entkommt und findet bei seinem Großvater Unterschlupf. Bald erfährt er, dass auch der Polizist in der Nähe wohnt und sinnt auf Rache.

Wie "Lady Jane" gewinnt auch "Revanche" seine Dichte durch die genaue Milieuschilderung und exzellente Schauspieler. Dazu kommt, dass der Film sehr sorgfältig aufgebaut ist und von Spielmann konzentriert inszeniert wurde. Statt einen temporeichen Thriller zu entwickeln, setzt er auf Langsamkeit. Nicht um Action geht es, sondern um das Innenleben der Figuren, denen in langen distanzierten und statischen Einstellungen viel Zeit und Raum gelassen wird. Verzichtet wird dafür auf jede Nebengeschichte, auf Schnörkel oder Filmmusik. Durch diese Konsequenz und Stringenz der Inszenierung gewinnt "Revanche" große innere Spannung und macht erfahrbar, wie sich diese Rachegefühle aufbauen, immer wieder in eine konkrete Tat zu münden drohen und wie schwer sie zu beherrschen oder sogar zu überwinden sind.