Die Aneignung des Möglichen

Ursula Dorigo, gebürtige Salzburgerin, lebt seit vierzig Jahren in Vorarlberg und hat hier sozusagen "Fuß gefasst". Während sie sich in den früheren Arbeiten vorwiegend mit Landschaften fremder Länder, schwerpunktmäßig dem Mittelmeerraum, künstlerisch auseinandergesetzt hat, wollte sie nun das Naheliegende, den sie vorwiegend umgebenden Raum in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.

Das Bekannte ist schwieriger zu erkennen als das Unbekannte, das Naheliegende scheint uninteressant im Vergleich zum noch nie Gesehenen. Eine Herausforderung jedenfalls. Sie erwanderte sich das Land Vorarlberg, skizzierte auf Fotopapier, in einem Format, das leicht in jedem Rucksack Platz fand. Binnen zweier Jahre entstanden so viele Skizzen. Aus ihnen lässt sich die Vorliebe der Künstlerin für bestimmte Gegenden orten. Ihre Wege sind nachvollziehbar. Von der naturalistischen Gebärde, dem anschaulich Machen des Gesehenen, führt der Weg zum Verzicht auf die Darstellung einer optischen Gegenstandswelt. Abstraktion wird auf den Gipfel getrieben: das Dreieck wird Chiffre für Berg, für viele Berge, für die Alpen; die Streifenbilder werden Metaphern für das wanderbare Rheinufer. Farblich dominieren Schwarz–Weiß. Ursula Dorigo verwendet für Landschaftsdarstellung häufig Naturmaterialien, die sie vor Ort "schürft", zu Hause reinigt und wie Pigment verwendet. So zeigen ihre Erd- und Sandfließbilder angenehme graue, braune und ockerfarbene Töne. Im Fließen erzeugen sie neue, plastisch anmutende Landschaftsformen. Mit den neuen Arbeiten sieht sich Ursula Dorigo in der Tradition konkret- konstruktiver Kunst. Reduktion und Geometrie, Serialität und Struktur stehen im Vordergrund. Die Eigengesetzlichkeit von Proportionen, Formen und Material wird immer neu ausgelotet, wobei die Interaktion von Schwarz – Weiß in Variation und Wiederholung eine spannungsreiche Wirkung erzielt. "Reinheit, Gesetz und Ordnung" sind Begriffe, mit denen sich konkrete Kunst identifiziert. Dieses Selbstverständnis passt punktgenau auch auf die Eigendefinition des Landes Vorarlberg, der Terra V.
Ursula Dorigo - Terra V 29. September bis 28. Oktober 2012