Die andere Saite der russischen Musik

14. März 2012 Rosemarie Schmitt
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Vor 27 Jahren kamen zu den etwa 1.473.00 Seelen von Nowosibirsk in gleicher Sekunde 2 weitere dazu. Dabei handelte es sich nicht etwa um Zwillinge, bei denen sich eh stets einer vorzudrängeln versteht, sondern es wurde ein einziger Knabe geboren und dieser hat zwei Seelen, eine russische von Herrn Papa und eine armenische von der Frau Mama. Eine gelungene Kombination, die sich sehen und hören lassen kann!

Diese gelungene Kombination namens Mikhail Simonyan stellt nun sich, seine beiden Seelen und sein Debütalbum als Geiger vor. Gemeinsam mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Kristjan Järvi präsentiert er mit "Two Souls" (Deutsche Grammophon 477 9827) zwei Violinkonzerte, die ich selbst in meiner "Bielefelder-Klassik-Bibel" gemeinsam auf einer CD nicht zu finden vermochte. Zum einen handelt es sich um das Konzert für Violine und Orchester des Armeniers Aram Khachaturian (geb. 1903) und zum anderen um jenes des 1910 in Amerika geborenen Komponisten Samuel Barber. Beide Konzerte fast zur gleichen Zeit entstanden, finden nun nach mehr als 70 Jahren auf einem Tonträger zusammen. Mit Tonträger meine ich nicht etwa die CD, sondern vielmehr denjenigen der den Ton, die Töne, in dieser ganz einzigartigen und erstmaligen Weise zu tragen versteht: Mikhail Simonyan!

Man täte gut daran, diesen Geiger nicht in üblicher Weise zu vermarkten, denn jene Werbemasche, die derzeit auf Äußerlichkeiten und möglichst spektakuläre Biographien aufbaut, wird von vielen Klassikliebhabern nicht wirklich geschätzt und sorgt mitunter vielleicht sogar für ein trotziges Nichtkaufverhalten, was im Falle Simonyan sehr bedauerlich wäre, denn sein Geigenspiel ist ausgesprochen hörenswert! Ein Teil seiner erfreulich unspektakulären Biographie ist sicherlich entscheidend für seine Art Khachaturian zu interpretieren: Als Jugendlicher übersiedelte er aus seiner russischen Heimat in die USA und perfektionierte dort sein Geigenspiel, mit dem er im Alter von fünf Jahren begonnen hatte.

Es fehlt in seiner Interpretation die von den russischen Geigern bekannte Härte, diese zur Schau getragene Unbeugsamkeit. Nicht alles was fehlt, muß zwangsläufig auch vermißt werden! Diese fehlende Arroganz und die sensible Herangehensweise an die Komposition steht der russischen Musik tatsächlich sehr gut und macht die Interpretation von Simonyan so besonders. Kraftvoll, klar und energisch ohne spröde und stählern zu klingen, sentimental ohne klagend und schluchzend zu sein. Letzteres wird bei Barbers Violinkonzert sehr wohltuend deutlich.

Die anderen "Saiten" die Mikhail Simonyan aufzieht, gefallen dem Dirigenten Kristjan Järvi : "Wenn man neue Ideen in die Musik einbringt, erweist man ihr einen Dienst. Es ist immens wichtig, immer wieder frisch und neu auf sie zuzugehen." Dabei hat besonders er eine besondere Beziehung zu Khachaturian, denn der Komponist war ein enger Freund seines Vaters, des Dirigenten Neeme Järvi: "Für mich war er einfach "Onkel Aram" – auf stille Weise liebenswert, ein großer Mann mit einer noch größeren Persönlichkeit."

Weshalb Barbers "Adagio for Strings" als letztes Stück mit auf die CD genommen wurde? "Es ist einfach eines der schönsten Stücke der gesamten Streicherliteratur," sagt Mikhail Simonyan einfach.

Einfach herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt