Diagonale 2016: Mit Kinderaugen

12. März 2016
Bildteil

Mit unterschiedlichem Erfolg erzählen Andreas Gruber in seiner Romanverfilmung "Hannas schlafende Hunde", Mara Eibl-Eibesfeldt in "Im Spinnwebhaus" und Patrick Vollrath in seinem für den für den Oscar nominierten Kurzspielfilm "Alles wird gut" aus der Perspektive von Kindern.

Sorgfältig in Ausstattung, Kostümen und Verhalten der Figuren evoziert Andreas Gruber in seiner Verfilmung von Elisabeth Eschers autobiographischem Roman "Hannas schlafende Hunde" die bleierne Atmosphäre im oberösterreichischen Wels der späten 1960er Jahre.

Nur nicht auffallen wollen die Eltern der neunjährigen Johanna, sich mit konservativ-katholischem Verhalten ganz in das Kleinstadtgefüge einordnen. Verheimlicht wird so dem Mädchen seine wahre Identität, doch sukzessive werden die Geheimnisse gelüftet und auch sichtbar wird werden, wie hier Alt-Nazis immer noch aktiv und stolz auf ihre Vergangenheit sind.

So routiniert das inszeniert ist, so sicher nicht nur Profis wie Hannelore Elsner als Großmutter und Franziska Weisz als Mutter, sondern auch Nike Seitz in der Hauptrolle der jungen Hanna agieren, so sehr leidet dieser Film, mit dem Gruber 22 Jahre nach "Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen" zur Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte Oberösterreichs zurückkehrt, an einer Überdeutlichkeit und klischeehaften Figurenzeichnung.

Zu offensichtlich ist der Verweis auf den Holocaust, wenn der Nazi-Hauswart am Beginn mit den Abgasen seines Mopeds Maulwürfe vergast, oder auf das Graben in der Geschichte, wenn bei Straßenarbeiten eine Fliegerbombe gefunden wird. Bis zur Karikatur eindimensional ist auch die Figurenzeichnung mit einem schleimigen pensionierten Bankdirektor, dem nazistischen Hauswart, der zudem noch versucht Hanna zu missbrauchen, der bösen Religionslehrerin, der als Gegenpol freilich wieder ein doch recht offener Pfarrer gegenübergestellt wird.

Zu ostentativ werden auch die Geheimnisse aufgebaut, doch sorgen diese immerhin für Spannung, bis sich nach etwa einer Stunde das Dunkel doch weitgehend lichtet, sich "Hannas schlafende Hunde", aber doch noch eine weitere Stunde hinzieht. – Schwerfällig und altbacken, statt mit Pfiff und packend wird hier eine letztlich kaum überraschende Geschichte erzählt.

Mehr Drive entwickelt hier schon Mara Eibl-Eibesfeldts Langfilmdebüt "Im Spinnwebhaus". Die Anspannung, die Hektik und innere Unruhe der alleinerziehenden Sabine (Sylvie Testud) überträgt sich in dem von Kameramann Jürgen Jürges in bestechenden kontrastreichen Schwarzweißbildern fotografierten Film durch Schnitt und Kamera direkt auf den Zuschauer.

Völlig überfordert ist die psychisch labile Frau mit der Erziehung ihrer drei, zwischen vier und zwölf Jahre alten Kinder, versucht sie beim geschiedenen Mann abzugeben, der sie aber nicht aufnehmen will und lässt Jonas, Nick und Miechen schließlich allein zurück.

Wie sich drei Kinder ohne Mutter allein organisieren müssen, der zwölfjährige Jonas Verantwortung übernehmen muss und sie der Öffentlichkeit gegenüber geheim halten, dass kein Erwachsener sich um sie kümmert, erinnert natürlich an Hirokazu Kore-edas Meisterwerk "Nobody Knows". Während der Japaner freilich mit großem Feingefühl und fast dokumentarisch das Leben der Kinder schilderte, entwickelt Eibl-Eibesfeldt aus der realistischen Ausgangssituation zunehmend einen surreal-märchenhaften Film.

Dass oft in der Kürze die Würze liegt, beweist Patrick Vollrath mit seinem unter anderem für den Oscar nominierten "Alles wird gut". Ganz alltäglich beginnt der 30-minütige Kurzspielfilm damit, dass ein Vater seine etwa fünfjährige Tochter Lea bei seiner geschiedenen Frau und ihrem neuen Mann abholt.

Angespannt wirkt der Mann freilich schon hier, geht dann aber mit dem Kind Spielzeug kaufen, dann Fotos machen. Hinter den vermeintlich harmlosen Aktionen wird aber zunehmend ein exakter Plan sichtbar, wenn der Vater mit Kind und Fotos auf das Amt geht, um einen Notreisepass zu machen, und dann zum Flughafen fährt. Doch Lea will zunehmend mehr wieder nach Hause, ist zerrissen zwischen ihren Eltern.

Mit größter Ökonomie und filmsprachlicher Präzision erzählt Vollrath, konzentriert sich ganz auf Vater und Tochter und ihre Aktionen. Kein Problemfilm will das sein, sondern mit großer Konsequenz wird hier in perfektem Aufbau zunächst einmal eine sich Schritt für Schritt eskalierende Geschichte erzählt, in der aber auch zunehmend nicht nur die emotionale Belastung aller Beteiligten sichtbar wird, sondern auch wie ein Kind unter der Scheidung der Eltern leidet, am Ende fast schon im wahrsten Sinne des Wortes zwischen ihnen zerrissen wird. – Gespannt sein darf man auf Vollraths Langfilmdebüt, das nach diesem meisterlichen Kurzfilm hoffentlich bald folgen wird.