Design Criminals

"Für die Ausstellung "Design Criminals Or a New Joy into the World" wurde die jüngste Generation von Gestaltern – Grafikdesigner, Produktdesigner und Architekten – eingeladen, die Wiener Tradition des Diskurses über "Ornament und Verbrechen" fortzusetzen", erklärt der britische Architekt und Designer Sam Jacob sein Konzept für die Ausstellung, die am 28. September 2010 im MAK Design Space eröffnet wird. "Die Designer wurden aufgefordert, die Tradition des Dekorierens zu durchleuchten und in einen sozialen Kontext zu setzen, wo es um Identität, Moral und Wahrheit geht", sagt Jacob.

Der Titel der Ausstellung "Design Criminals Or a New Joy into the World" nimmt Bezug auf die Diskussionen über die Gestaltung der sichtbaren Oberfläche, die für Architekten und Designer in Wien seit über 100 Jahren in der nicht selten ambivalenten Auseinandersetzung über Ornament und Dekor mündete. Von den Secessionisten über Adolf Loos, die Radikalen der 1960er Jahre bis hin zu den Post-Modernisten wird die Oberfläche zur kulturellen Ausdrucksform, die geballt persönliche und gesellschaftliche Inhalte transportiert. Gestalterische Aktivitäten wie das Verzieren von Kuchen, Haardesign oder das Arrangieren von Blumen passieren abseits des Designdiskurses. Obwohl dieses anonyme Design kaum über eine wahrnehmbare Tradition verfügt, prägt es eine Kultur wesentlich und gibt ihr soziale Bedeutung.

Nach "Fat / Sam Jacob. Duplicate Array: Buildings / Places / Objects", das im MAK Design Space gezeigt wurde, stellt die neue Ausstellung eine weitere Folge in der Reihe "Start Up: Designers" New Projects" dar, die im Rahmen der Kooperation "Design - neue Strategien" von MAK und Departure, der Kreativagentur der Stadt Wien, stattfindet. Für "Design Criminals Or a New Joy into the World" hat Jacob Beiträge von BreadedEscalope, BKM, DanklHampel, Guerra Vanzetti, Nina Levett, Sebastian Menschhorn, Mischer"Traxler, Katja Nagy / Bernadette Krejs, Andreas Pohancenik und Patrick Rampelotto ausgewählt.

Das Designstudio BreadedEscalope (Sascha Mikel, Michael Tatschl und Martin Schnabl) zeigen ein Brennholzstapel. Jedes Holzscheit im Stapel ist am einen Ende mit einem Ornament verziert, während das andere Ende naturbelassen bleibt. Bei gleichem Material verändert das Ornament Wert, Bedeutung und Funktion des Objekts. Bei diesem Projekt arbeiten sie eng mit einem Drechsler zusammen.

BMK Design Working Group (Katharina Maria Bruckner, Hans Stefan Moritsch, Verena Litzka) sind auf der Suche nach dem Unbewussten der Dinge und richten den Fokus auf innere Prozesse, Archetypen und scheinbar Nebensächliches. Sie zeigen Porzellangefäße, die, wie in manchen Kulturen üblich, auf dem Kopf getragen werden und mit der Frisur des Trägers/der Trägerin scheinbar verschmelzen. Die Objekte entstehen in Zusammenarbeit mit "Propaganda Haare" und der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten.

Für DanklHampel (Katharina Dankl und Lisa Elena Hampel) sind selbstgemachte Torten die Highlights diversester Anlässe. Eine Tortenform, die alle zufrieden stellt, bringt verschiedene Geschmackspräferenzen unter einen Hut. Ihr Design setzt soziale Prozesse in Gang und reagiert auf bestehende festliche Rituale.

Carla Guerra und Bartolomeo Vanzetti bilden für gemeinsame Projekte die Künstlergruppe Guerra Vanzetti. Bevorzugt arbeiten sie mit dem Material Beton und im Bereich der Konzeptkunst. Mit ihrem jüngsten Projekt "Loos Tribal" führen sie Adolf Loos" berühmte Position von "Ornament und Verbrechen" ad absurdum: Anhand von wenig bekannten dokumentarischen Fotografien aus der Zeit um 1900 gelingt es ihnen, die Tätowierung zu rekonstruieren, die Loos Zeit seines Lebens verborgen halten konnte, um seine Glaubwürdigkeit als Gegner des Ornaments nicht in Frage zu stellen. Zu sehen ist neben der Forschungsdokumentation aus Bild und Text eine Reproduktion dieses Tattoos.

Nina Levett arbeitet im Schnittbereich von Kunst, Illustration und Interior Design. Ihre Werke sind teils autobiografisch, teils entspringen sie einer erfundenen Welt. In diesem Zusammenhang entwirft sie Geschirr, Tapeten und Wohntextilien, die mit Ornamenten und Mustern geschmückt sind und Hinweise auf wahre und erfundene Begebenheiten enthalten. Im MAK Design Space arrangiert die Designerin eine Hochzeit, für die sie Elemente ihrer eigenen Hochzeitsfeier mit einer erdachten Geschichte, die Bezug auf Ort und Kontext der Ausstellung nimmt, verwebt. Dabei werden Ornamente für die Hochzeitstorte, das Hochzeitskleid, Nageldesign, Spitzen-Tischwäsche und ein eigenes Hochzeitsgeschirr entwickelt. Zur Gesamtinszenierung eines Raumes wird ein Film projiziert, in dem die gezeigten Objekte als Akteure
auftreten.

Sebastian Menschhorn interessiert sich für das Spannungsfeld von Information – Dekoration – Geheimnis, in dem sich Schriften bewegen. Zu sehen sind daher Schriftornamente aus Stuck unter dem Motto "Ornament kann lügen". Dabei nimmt sich der Designer der Sicherheitsinformationen im Ausstellungsraum an, verfremdet diese und bindet sie in seine Arbeit ein. Ihm geht es auch um die Codierung und Decodierung von Raum durch das Ornament.

Studio Mischer"Traxler (Katharina Mischer und Thomas Traxler) steht für Installationen und Prozesse. Aus ihrer Beschäftigung mit dem Experimentellen und Konzeptionellen entstehen oft Gesamtkonzepte, Systeme und Visionen statt einzelner Produkte. Ihre Arbeiten wurden bereits auf internationalen Ausstellungen und Designfestivals gezeigt und ausgezeichnet. Das Designduo geht der Frage nach: Wie viel Ornament ist zulässig? Ab wann sind Verzierungen "zu viel" bzw. ist es "zu spät", um noch etwas zu ändern? Aus diesen Überlegungen entstand u.a. eine automatische Vorrichtung zum Dekorieren von Torten, die im MAK zu sehen ist.

Das Architektinnenteam Katja Nagy und Bernadette Krejs ist mit einer Installation im Außenbereich des MAK rund um das ausgeschnittene Fassadenelement von James Wines/Sites am Stubering vertreten. Sie spielen mit den Begriffen innen / außen, privat / öffentlich und nehmen sich des behaglichen Dekorelements Teppich an. Zu sehen ist eine Patchworkarbeit aus zusammengetragenen Beispielen.

Der Typograf und Schriftgestalter Andreas Pohancenik gründete das Designstudio "Practice and Theory". Seine Installationen im öffentlichen Raum erzählen von der Beschäftigung mit der narrativen wie räumlichen Identität und dem kontextuellen Einsatz ortsspezifischer Materialen. Parallel dazu begann er sich mit Schriftgestaltung und der Rolle von Schrift im Zuge der Identitätsfindung zu beschäftigen. Für seinen Beitrag im MAK nimmt er die Zier-Ethik des Zuckerwerks, ornamentale Typografien und Assoziationen zur "Wiener Seele" zum Anlass, um die Ausstellungsgrafik und eine Schrift (Typo) zu entwickeln.

Patrick Rampelotto designt modulare Trophäenskulpturen – Pokale, die in Massen produziert, für den Sieger einzigartig sind. Dahinter verbirgt sich ein baukastenartiges Modulsystem, in dem Durchmesser und Größe der Objekte genau bestimmt sind. Das scheinbar einzigartige Siegerstück entpuppt sich schließlich als Massenware. Für die Ausstellung im MAK wird Rampelotto mehrere raumgreifende Pokalobjekte anfertigen und installieren.

Design Criminals
Or a New Joy into the World
29. September bis 14. November 2010