"Der unamerikanischste Amerikaner" – Zum 100. Geburtstag von Elia Kazan

31. August 2009 Walter Gasperi
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Marlon Brando und James Dean hat der am 7. September 1909 in Konstantinopel geborene Elia Kazan zu Stars gemacht, mit kraftvollen Schauspielerfilmen über Außenseiter wurde er berühmt und setzte sich selbst ins Abseits, als er vor dem McCarthy-Ausschuss bereitwillig Namen seiner Kollegen ausplauderte.

Als Sohn griechischer Eltern 1909 in Konstantinopel geboren war Elia Kasanioglu als Kind als Angehöriger einer unterdrückten Minderheit im Osmanischen Reich ein Außenseiter. Als er vier Jahre alt war, übersiedelte seine Familie nach New York und aus Kasanioglu wurde Kazan. Über 50 Jahre später verarbeitete er in "America, America – Die Unbezwingbaren" (1963), Kazans erstem Film nach einem eigenen Buch, diese Erfahrungen, beschreibt den Traum eines Jungen von Amerika zeigt die langsame Desillusionierung der Emigranten.

Das Gefühl ein Außenseiter zu sein, verstärkte sich bei Kazan als er als Küchenbursche sein Studium an der Yale University finanzieren musste. Während des Studiums beschloss er Schauspieler zu werden, schloss sich dem politisch links stehenden Group Theatre an und trat so der kommunistischen Partei bei, aus der er nach nur 19-monatiger Mitgliedschaft aber schon wieder austrat. Nach ersten Inszenierungen am Theater ab 1936 und kleinen Filmrollen ab 1940 konnte er 1945 mit "A Tree Grows in Brooklyn" seinen ersten Film drehen. Groß war aber von Anfang an seine Ablehnung der Mechanismen Hollywoods: Statt im Studio wollte er vor Ort drehen und nicht mit Stars, sondern mit unbekannten Schauspielern arbeiten und beim Drehbuch mitreden.

In dieser Zeit (1947) gründete er mit Lee Strasberg mit dem legendären Actors Studio auch eine eigene Theaterschule, in der die Identifikation des Schauspielers mit der von ihm verkörperten Rolle gelehrt wurde. Marlon Brando machte Kazan so mit der Verfilmung seiner eigenen Bühneninszenierung von Tennessee Williams´ "A Streetcar Named Desire" (1951) zum Star. Seinem Konzept vom realistischen Filmemachen kam er andererseits mit dem Krimi "Bumerang" (1947) und dem Thriller "Panic in the Streets – Unter Geheimbefehl" (1950) nahe, die er an Originalschausplätzen, in einer Kleinstadt in Connecticut bzw. in New Orleans, drehte.

Zu den schwarzen Flecken im Leben dieses laut Tennessee Williams "unamerikanischsten Amerikaners" gehört sein Auftritt vor dem McCarthy-Ausschuss. Bereitwillig nannte der frühere Kommunist die Namen von Mitgliedern der Kommunistischen Partei, feierte aber fast gleichzeitig in "Viva Zapata!" (1952) den wiederum von Marlon Brando gespielten mexikanischen Revolutionär.

Seiner Vorstellung von realistischem Kino am nächsten kam Kazan dann wohl mit dem mit acht Oscars ausgezeichneten "On the Waterfront – Die Faust im Nacken" (1954), in dem es um die korrupten Machenschaften von New Yorker Hafengewerkschaften geht. Aber nicht nur Brando, der auch in "On the Waterfront" eine Hauptrolle spielte, sondern auch James Dean machte dieser Schauspielerregisseur zum Star.

Frei improvisieren ließ er Dean in der John Steinbeck-Verfilmung "East of Eden" (1955), wodurch der Konflikt mit seinem autoritären Filmvater große Intensität gewann. Ging es hier um Kritik am amerikanischen Puritanismus, so rechnet er im Südstaatendrama "Baby Doll" (1956) mit Doppelmoral und gesellschaftlich verordneter Lustunterdrückung und in "A Face in the Crowd" (1957) mit dem Einfluss des aufkommenden Fernsehens auf die politische Meinungsbildung ab.

Ambivalent blieb Kazans Beziehung zu den USA und zu Hollywood. Schon vor der Welle der "Vietnam-Filme" in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zeigte er in dem von ihm selbst produzierten "The Visitors" (1971) den privaten Terror zweier Vietnam-Veteranen. Und "The Last Tycoon" (1976), sein letzter Film, geriet ihm zur leisen Liebeserklärung an das Hollywood vergangener Tage, ohne die Schwierigkeiten in diesem System zu leben zu verheimlichen.

Unbestritten sind Kazans künstlerische Leistungen, seinen Auftritt vor dem McCarthy-komitee hat man ihm aber teilweise zeitlebens nicht verziehen. Fast zum Eklat wurde so die Verleihung des Ehrenoscars im Jahr 1999, als einige Showgäste wie Ed Harris und Nick Nolte ihm jeden Applaus verweigerten, ihn andererseits Martin Scorsese umarmte und Robert De Niro, der in "The Last Tycoon" eine Hauptrolle spielte, in seiner Laudatio seine Wertschätzung für Kazan mit den Worten "More than anybody, he inspired us" zum Ausdruck brachte.

Kurze Dokumentation über Elia Kazans Leben, Werk und Einfluss