Der Traum vom alten Hollywood - Zum Tod von Sydney Pollack

Er gehörte zum New Hollywood, doch an der Rebellion der jungen amerikanischen Filmregisseure Ende der 60er Jahre beteiligte er sich nicht. – Ein Traditionalist war und blieb der am 1.7.1934 in Indiana geborene Sydney Pollack, der am 26. Mai 08 im Alter von 73 Jahren in seinem Haus in Los Angeles an einem Krebsleiden starb.

In allen Genres hat der Sohn russischer Einwanderer gearbeitet, doch anders als Dennis Hopper und Peter Fonda in "Easy Rider" (1969) oder Monte Hellman in "The Shooting" (1965) und "Two Lane Blacktop" (1971) hat er nie mit den Konventionen gebrochen. Er hat auch nie mit der satirischen Schärfe eines Hal Ashby ("Harold and Maude", 1971) oder gar eines Robert Altman ("Nashville", 1974; "A Wedding", 1978) die US-Gesellschaft attackiert und keiner seiner Filme ist in ähnlichem Maße von den persönlichen Obsessionen geprägt wie die eines Woody Allen oder Martin Scorsese. Pollack bemühte sich vielmehr das alte, in den späten 60er Jahren als tot geltende Hollywood-Kino wieder zu beleben. Klassische Western sind sein zweiter Spielfilm "The Scalp Hunters" ("Mit eiserner Faust", 1968) ebenso wie "Jeremiah Johnson" (1972), in dem ein Trapper nicht die Zivilisation in die grandios fotografierte Wildnis bringt, sondern vielmehr selbst von der Wildnis geformt wird. Genre-Konventionen folgte dieser Regisseur, der in den frühen 60er Jahren beim Fernsehen sein Handwerk gelernt hatte, auch in dem 1975 entstandenen Spionagethriller "Three Days of the Condor", verzichtete aber auf oberflächliche Effekte nahm indirekt auf die damals aktuelle Watergate-Affäre Bezug. Noch deutlicher zeigt sich das Nacheifern großer Meister des amerikanischen Kinos an den Filmen, die Pollack in den 90er Jahren drehte: Künstlerisch und kommerziell gescheitert ist er mit "Havana" (1990), das einen ins Kuba der Revolutionswirren verlegten Aufguss von Michael Curtiz´ Kultfilm "Casablanca" darstellt, und auch sein Remake von Billy Wilders Komödie "Sabrina" (1995) hält dem Vergleich mit dem Original nicht stand. Kein unverwechselbarer Stil, auch kein zentrales, wiederkehrendes Thema kennzeichnen die Filme Sydney Pollacks oder lassen sie als ein in sich geschlossenes Gesamtwerk erscheinen. Das Verbindende ist am ehesten die Arbeit mit einem gleich bleibenden Team. Fünfmal führte Owen Roizman die Kamera, achtmal zeichnete Dave Grusin für die Filmmusik verantwortlich. Aber nicht nur hinter der Kamera, sondern auch bei der Arbeit mit SchauspielerInnen setzte er auf Konstanz. Robert Redford, der zusammen mit Pollack zur Förderung des unabhängigen amerikanischen Films das Sundance-Film-Festival gründete, spielte siebenmal die Hauptrolle. Mit Unterbrechungen arbeiteten diese befreundeten Künstler über fast 25 Jahre zusammen, von der Tennessee Williams Verfilmung "This Property Is Condemned" ("Dieses Mädchen ist für alle", 1966) über Pollacks größten Erfolg "Out of Africa" (1985) bis zu "Havana". Pollack, der selbst auch als Schauspieler auftrat wie beispielsweise in Kubricks "Eyes Wide Shut" oder zuletzt in "Michael Clayton", gilt deshalb auch als "Actor´s Director", als Regisseur, der sein Ensemble zu außergewöhnlichen Leistungen anzutreiben vermag. – Nicht nur mit Redford, auch mit zahlreichen anderen Top-Stars des US-Kinos hat er gearbeitet, mit Jane Fonda im pessimistischen Depressionsdrama "They Shoot Horses, Don´t They" ("Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss", 1969) und dem Post-Western "The Electric Horseman" (1979) ebenso wie mit Barbra Streisand im Melodram "The Way We Were" ("So wie wir waren - Cherie Bitter", 1973), mit Paul Newman im medienkritischen "Absence of Malice" ("Die Sensationsreporterin, 1981), mit Al Pacino im Rennfahrerfilm "Bobby Deerfield" (1977), mit Dustin Hoffman in der Komödie "Tootsie" (1982) und zuletzt mit Nicole Kidman und Sean Penn im Thriller "The Interpreter" ("Die Dolmetscherin", 2005). In der Tradition des amerikanischen Kinos vergangener Tage stehen freilich auch diese Filme. Wenn in "The Electric Horseman" der Rodeo-Weltmeister (Robert Redford) beschließt nicht mehr in Supermärkten für Frühstücksflocken zu werben, sondern das als Firmensymbol dienende Rennpferd des Konzerns stiehlt und es in der Wildnis freilässt, erinnert dies in der Kombination von Romantik und sanfter Gesellschaftskritik an die Komödien, die Frank Capra in den 30er Jahren drehte. Von Screwball-Comedies wie Howard Hawks´ "I Was a Male War Bride" (1949), aber auch von Billy Wilders "Some Like It Hot (1959) inspiriert ist wiederum "Tootsie", in dem sich Dustin Hoffman als arbeitsloser Schauspieler als Frau verkleidet, um einen Job zu bekommen. Pollack nutzt diese Ausgangsposition geschickt zu einer ebenso unterhaltsamen wie intelligenten Komödie über Geschlechterrollen und die Absurditäten des Showgeschäfts. Und den gesellschaftskritischen Werken eines Elia Kazan verwandt sind schließlich "Absence of Malice" und "The Way We Were", in dem Pollack die Liebesgeschichte einer kommunistischen Studentin und eines jungen Amerikaners aus reichem Hause im Amerika der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts erzählt. Die politischen Hintergründe werden dabei von der rührseligen Liebesgeschichte vielleicht zu sehr in den Hintergrund gedrängt, dennoch ist dieser Film typisch für das publikumsorientierte Kino des Sydney Pollack: Mit einer konventionell erzählten, die Emotionen ansprechenden Story soll Unterhaltung geboten werden, sanfte Gesellschaftskritik darf aber nicht fehlen.