Der Tee, der nach Umami schmeckt

28. Februar 2011 Kurt Bracharz
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Der Schattentee Gyokuro, der "Edle Tautropfen", stellt die höchste Qualitätsstufe der japanischen Grünteevarianten dar. Seine Blätter stammen wie die von Sencha und allen anderen Tees vom Teestrauch Camellia sinensis, allerdings von besonderen Züchtungen wie Asahi, Okumidori, Saemidori und Yamakai. Die Hauptanbaugebiete für diesen Tee sind Yame in der Präfektur Fukuoka und Uji nahe Kyoto.

Für Gyokuro werden nur die ersten und zartesten Triebe junger Teesträucher verwendet, die in den letzten drei Wochen vor der Ernte mittels Schilf- und Bambusmatten gegen die direkte Sonneneinstrahlung abgeschirmt wurden (ein anderer, billigerer Schattentee, der Kabusecha, wird maximal eine Woche lang zu fünfzig Prozent beschattet). Diese Maßnahme verlangsamt das Blattwachstum und führt dazu, dass weniger Bitter- und Gerbstoffe gebildet werden, sodass der stark koffeinhaltige Gyokuro milder und süßer schmeckt als alle anderen japanischen Grüntees. Die Farbe der getrockneten Blätter ist auf Grund des hohen Chlorophyllgehalts ein sattes Dunkelgrün.

Aufgegossen wird Gyokuro mit nur 50 bis 60° C heißem Wasser; man nimmt dazu mehr Teeblätter als bei anderen Sorten und lässt zwei Minuten ziehen. Wie bei allen Grüntees werden drei oder mehr Aufgüsse angeraten, da viele Teetrinker den zweiten als den besten empfinden – der erste Aufguss ist deutlich herber, der dritte merklich dünner. Man verwendet am besten ein dreiteiliges Set: eine Kanne für das heiße Wasser, eine kleinere Kanne mit Deckel (Kyusu) mit den Teeblättern zum mehrmaligen Aufgießen, und die – für diesen Tee besonders kleine – Schale. Die nach den Aufgüssen im Kyusu zurückgebliebenen Blätter werden noch einmal serviert, denn man verzehrt sie zuletzt, mit etwas Sojasoße gewürzt, von einem Teller.

Wie alle grünen Tees enthält Gyokuro Polyphenole, und zwar erheblich mehr als die Schwarztees, in denen sie durch Oxidation größtenteils verloren gehen. Besonders interessant ist als Inhaltsstoff die nur im Teeblatt vorkommende Aminosäure Theanin (Gamma-Glutamylethylamid), über die es in Peter Oppligers Buch "Grüner Tee", Aarau 2010, heißt: "Aufgrund einer potentiellen Bindung von Theanin an Glutamat-Rezeptoren im Gehirn, die den Hauptneurotransmitter Glutamat in Säugern binden, könnte Theanin möglicherweise das Lern- und Erinnerungsvermögen verbessern. Es wurde auch eine teilweise antagonistische Wirkung zu Koffein in der Literatur beschrieben, was auf eine ausgleichende Wirkung des Grünen Tees hinweist." Theanin wird bei der Trocknung der Teeblätter in Glutaminsäure umgewandelt, was zum ausgeprägten Umami-Effekt des Gyokuro führt.