Der Kreis um Anton Stankowski

3. September 2010
21.02.2010 bis  05.09.2010
Bildteil

Das geflügelte Wort - "Ob Kunst oder Design ist egal – nur gut muss es sein"- von Anton Stankowski (1906 – 1998) ist nicht nur Namensgeber dieser Ausstellung, sondern auch inhaltliche Leitlinie. Für ihn als Grafiker und Künstler gab es keine Unterschiede zwischen den Disziplinen. Täglich von morgens bis abends war er beschäftigt mit Entwerfen und Gestalten, ob das Resultat einem Werbemotiv diente oder als sogenannte "freie Kunst" zu einem künstlerischen Objekt wurde, war ihm egal.

Mit dieser Einstellung stand er nicht alleine da. Viele seiner Freunde dachten ebenso. Diese Ausstellung widmet sich diesem Kreis um Stankowski und zeigt sowohl "angewandte" Designobjekte als auch "freie Arbeiten". Insgesamt werden 36 Künstler gezeigt, die alle eng mit Stankowski verbunden waren.

Begonnen hat alles mit Max Burchartz, Stankowskis Lehrer an der Essener Folkwangschule. Er war Mitglied im "Ring neue Werbe­gestalter", der damaligen Avantgarde mit so prominenten Vertretern wie Kurt Schwitters, El Lissitzky, Willi Baumeister, Theo van Doesburg, Jan Tschichold und Friedrich Vordemberge-Gildewart. Anton Stankowski profitierte von der grafischen Qualität dieser Gestalter. Burchartz entwickelte in dieser Zeit einen neuen Layout-Stil, der sich durch eine freie Verwendung von Typografie, Fotografie und Fotocollage auszeichnete. Gleichzeitig gründete er mit Johannes Canis die erste moderne Werbeagentur in Deutschland. Während dieser Phase entstanden gemeinsam mit Anton Stankowski fortschrittliche Projekte.

Nach der Ausbildung folgte die Zeit in Zürich, wohin Anton Stankowski 1929 dem Ruf von Max Dalang, Inhaber der gleich­namigen Werbeagentur, folgte. Diese Zeit in Zürich war durch die Freundschaft mit vielen Vertretern der späteren "Zürcher Konkreten" verbunden. Schon früh lernte Stankowski Max Bill kennen, der gerade vom Bauhaus zurückkam. Es folgten enge Verbindungen zu Richard Paul Lohse, zu Hans Neuburg, Verena Loewensberg und zu Hans Coray, der den legendären "Landi-Stuhl" entwickelte. Der Freundeskreis traf sich regelmäßig, man tauschte sich aus, feierte zusammen und diskutierte bis spät in die Nacht über Kunst, Design und die Welt. Diesem Kreis gehörte auch Hermann Eidenbenz an, ein Heraldiker, der in der Nachkriegszeit durch seinen Entwurf der DM-Geldscheine berühmt wurde. Durch seine Tätigkeit als Fotograf in der Werbeagentur lernte Stankowski auch Ernst A. Heiniger kennen, ebenfalls Fotograf. Heiniger arbeitete sowohl für Sergej M. Eisenstein als auch später für Walt Disney in Kalifornien. Er war übrigens auch Erfinder des Swissorama 360° Rundsystems, das heute als Panorama-Kino Erfolge feiert.

Nachdem Anton Stankowski bei Kriegsbeginn die Aufenthalts­erlaubnis in der Schweiz entzogen wurde, wohnte er eine zeitlang "versteckt" bei Herbert Matter, dem Begründer des modernen Fotoplakats in der Schweiz. Matter emigrierte 1936 in die USA und arbeitete dort als freier Fotograf für Zeitschriften wie die "Vogue", "Harper’s Bazaar" und "Town and Country". 1943 – 1946 arbeitete er als Grafikdesigner im Büro von Ray und Charles Eames in Kali­fornien. In seinen grafischen Arbeiten hat Herbert Matter die Klarheit der Schweizer Schule mit der amerikanischen Pop-Kultur verbunden.

Während dieser Zeit der Ungewissheit, ob Stankowski wieder in der Schweiz leben und arbeiten könnte, entstand der Kontakt zu Heiri Steiner, der ebenfalls Grafiker, Fotograf und Künstler war. Mit ihm und den anderen Schweizer Künstlern verband Stankowski eine lebenslange Freundschaft. Obwohl viele davon damals sehr fortschrittlich waren und Pionierarbeit in ihrem Bereich leisteten, sind einige Namen inzwischen vergessen. Diese Ausstellung möchte auch dazu beitragen, dass einige Gestalter wieder entdeckt werden.

Nach dem Krieg und der Kriegsgefangenschaft beginnt Anton Stankowski in Stuttgart von vorne. Doch schnell findet er auch hier Gleichgesinnte. Mit Personen wie Willi Baumeister, Max Bense, Egon Eiermann, Kurt Leonhard und anderen legt er die Basis für die Stuttgarter Grafikszene. Voller Elan treibt er auch hier gemeinsame Treffen und einen regen Austausch untereinander an.

1972 tritt Karl Duschek ins Grafische Atelier am Killesberg ein. Stankowski kann sich jetzt stärker auf die Malerei und Ausstellungen konzentrieren. Es entstehen Freundschaften zu Künstlerkollegen wie Rupprecht Geiger und Hermann Glöckner. Kunsttheoretiker wie Eugen Gomringer, Helmut Heißenbüttel und Hans-Heinz Holz stoßen hinzu. Aber auch über das Grafische Atelier kommen enge Verbindungen durch gemeinsame Projekte zustande: Otl Aicher gehört dazu, genauso Hans Gugelot, Hans Geipel und Walter Cantz. Mit Herbert Kapitzki und Gunter Rambow wird eng zusammen­­gearbeitet, so mancher Calvados gemeinsam getrunken. Der Kreis um Stankowski wird größer, die Verbindungen aber nicht weniger intensiv. Viele der Schweizer Freunde besuchen Anton Stankowski regelmäßig in Stuttgart. Man tauscht sich auch weiterhin aus, hält Kontakt.

Ein weiterer Teil der Ausstellung widmet sich den Preisträgern der Stankowski-Stiftung, die 1983 gegründet wurde. Almir Mavignier war der erste, es folgten Wim Crouwel, Erwin Heerich, Hans-Peter Hoch und später Donald Judd, Ingo Günther und weitere.

Die Ausstellung mit mehreren Standorten bietet viele Positionen von "freier und angewandter Kunst". Das Spektrum reicht von den Texten konkreter Poesie eines Max Bense über Plakatbeispiele von Herbert Matter und Gunter Rambow bis hin zu Alltagsgegenständen wie dem Ulmer Hocker von Max Bill oder dem Landi-Stuhl von Hans Coray. Die Gemeinsamkeit aller ausgestellten Künstler und Ge­stalter ist die Freundschaft zu Anton Stankowski. Jeweils eine Arbeit von ihm wird daher auch den jeweiligen Werken zugeordnet. Es entsteht ein Dialog, an dem Stankowski Zeit seines Lebens immer interessiert war.

Der Kreis um Anton Stankowski

Kunsthalle Göppingen
18. Juli bis 5. September 2010