Ein geordnetes Leben führen, sich ordnungsgemäß verhalten. Jeder Einzelne ist in ein unsichtbares Ordnungssystem eingebunden, welches sein Tun und Handeln bestimmt, legitimiert oder auch verurteilt. Dieses System mag durch Gewalt und Repression eingerichtet, oder auf Grundlage eines freiheitlich getroffenen Regelwerks durch überzeugende Gründe verhandelt worden sein.
Sichtbar wird es meist erst, wenn die Begründungen und Rechtfertigungen nicht mehr greifen und überzeugen können und Menschen auf die Straße gehen, um ihren Zweifeln in Form von Protest Ausdruck zu verleihen.
"Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen" spürt diesen lebendigen Momenten des Aushandelns und der kommunikativen Auseinandersetzung mit normativen Ordnungen im öffentlichen Raum nach. Das Ausstellungsprojekt ist eine Kooperation zwischen dem Frankfurter Kunstverein und dem Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ausgangspunkt ist die interdisziplinäre Betrachtung und Analyse ästhetischer Ausdruckformen zum Thema "Demonstrationen" anhand vielfältiger Medien wie historische und zeitgenössische Gemälde, Grafiken, Fotografien, Installationen, Video- und Soundarbeiten sowie Performances.
Neben der Präsentation von über 40 internationalen künstlerischen Positionen, umfasst das Projekt ein umfangreiches wissenschaftliches Rahmenprogramm aus Diskussionsveranstaltungen, an dem zahlreiche Geistes- und Sozialwissenschaftler des 2007 gegründeten interdisziplinären Forschungsverbunds beteiligt sind. Sie verfolgen die Fragestellung nach dem Entstehen und der Veränderung von gesellschaftlichen Ordnungen, indem sie die damit verbundenen Prozesse und Konflikte nicht nur als Fakten ansehen, sondern vielmehr nach den ihnen zugrundeliegenden normativen Vorstellungen fragen.
Demonstrationen markieren entscheidende Momente gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Gerade in den heutigen Tagen sind sie mit Blick auf die Revolutionsbewegungen in den arabischen Ländern oder weltweite Protestaktionen gegen die Finanzpolitik des Bankensystems allgegenwärtig und haben eine große mediale Präsenz. Ausgehend von der facettenreichen Bedeutung des lateinischen Begriffs "demonstrare" – vom bloßen Akt des Aufzeigens über die wissenschaftliche Beweisführung bis hin zum Massenprotest auf der Straße – forscht die Ausstellung nach verbindenden Motiven und speziellen Verhandlungsformen bei Demonstrationen.
Zentral sind dabei nicht einzelne Konfliktsituationen, sondern die Vielfalt künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem Thema und der Widerhall, den politische Ereignisse in ästhetischen Werken erzeugen. Genauer untersucht werden Aspekte von Bewegung und Blockade, Zeigen und Repräsentieren, Zweifeln und Legitimieren. Historische Grafiken und Gemälde, die beispielsweise Huldigungs- und Krönungsszenen als Demonstrationen von Macht und Herrschaft darstellen, prominente Beispiele für Protestbewegungen in der Epoche des Vormärz oder Darstellungen der Ereignisse der 1848er Revolution und der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, treten in den Dialog mit aktuellen Themen zeitgenössischer Künstler.
Sie korrespondieren mit Malerei, Fotografie, Installationen, Videoarbeiten und schließlich auch mit zahlreichen Performances in den Räumen des Frankfurter Kunstvereins und im Frankfurter Stadtgebiet. So wird ein breites Spektrum ästhetischer Herangehensweisen und künstlerischer Positionen vorgestellt und durch neue, eigens für die Ausstellung entstandene Produktionen erweitert.
Eine Ausstellung mit Arbeiten von: Bani Abidi, Jost Amman, Claudia Bosse, Irina Botea, Wilhelm Bülow, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Discoteca Flaming Star, Ludwig von Elliot, Johann Georg Funck und Michael Rößler, Dani Gal & Achim Lengerer, François Georgin, James Gillray, Jana Gunstheimer, Nicoline van Harskamp, Johann Peter Hasenclever, Sharon Hayes, Alexander Hoepfner, Johann Jakob Kirchhoff, Noël Lemire, les trucs, Lovefuckers, Peter Lynen, Marcello Maloberti, Anna Mendelssohn, Rabih Mroué, F.G. Nordmann, Christodoulos Panayiotou, Alfred Rethel, Henry Ritter, Julian Röder, Yorgos Sapountzis, Sandra Schäfer, Georg Schlicht, Eske Schlüters, Adolf Schroedter, Schwabinggrad Ballett, NOH Suntag, Johann Susenbeth, Sarah Vanagt, Massimo Vitali, Aalam Wassef and Nazim Ünal Yilmaz, u.a.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen sowie einer Vielzahl an Abbildungen, herausgegeben vom Frankfurter Kunstverein und dem Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" an der Goethe Universität Frankfurt am Main, im Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg.
Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen
20. Januar bis 25. März 2012
Eröffnung: 19. Januar 12, 20 Uhr