Dazwischen: Ich

13. Mai 2017 Bernhard Sandbichler
Bildteil

Es gibt Trennlinien im Leben. Ereignisse, die den Weg zurück unmöglich machen und den vor ungewiss. Krieg, Hunger, Tod. Wenig wissen wir von denen, die auf der Flucht davor bei uns angekommen sind. Julya Rabinowich lässt die halbwüchsige Madina davon erzählen.

1. Die Story: "Zurückgehen heißt sterben, glaube ich." Der Vater, ein Volksverräter. Sagen die Kriegstreiber. Das Leben hier: "weder klar noch einfach", selbst wenn man eine gute Freundin hat und zunächst alles eine Idylle ist. Es ist sehr, sehr kompliziert. Die Vergangenheit lässt sich nicht von der Gegenwart abschneiden. Das muss auch ihr Vater erfahren - und hat eine Lösung, die nichts löst. Auf der letzten Seite dieses Buches geht er zurück: "Er geht."

2. Die HeldInnen: Madina aber bleibt: "Wir bleiben da. Ich werde dableiben." Sie, knappe 15 Jahre alt, hat den Wald des Schweigens durchdrungen und das Steuer in der Familie übernommen: Das Schicksal der Welt lässt sich so nicht ändern, ihr eigenes aber schon. Das wird ihr im Verlauf dieser Geschichte klar.

3. Der Sound: "In der Nacht wandere ich durch meinen Wald. Und ich weiß, er reicht nicht mehr. Ich löse nichts, wenn ich nur an den Rändern herumgehe. Ich muss tiefer hinein."

4. Coole Bilder: Ein Reisekoffer trennt die Kapitel dieses wunderschön gestalteten Buches, dessen Umschlag hellblau ist wie dieser Koffer mit weißen Wolken.

5. Cooles Wort: Madina kennt Wörter wie "exotisch", "babylonisches Stimmengewirr" oder "durchwuseln". Julya Rabinowich sei Dank! Sie lässt ihre Heldin kein Migrantendeutsch ins Tagebuch schreiben: "Ich wachse langsam an die Klasse an wie ein Stück transplantierte Haut, die endlich nicht mehr abgestoßen wird."

6. Zum Nachdenken: "Gegenwart kann die Vergangenheit nicht ersetzen. Gegenwart kann die Vergangenheit nur abschwächen, sie verschleiern, sie überdecken. Dann spürt man sie nicht mehr so tief und schneidend. Aber sie ist dennoch da."

7. Die Autorin: Julya Rabinowich emigrierte mit ihrer Familie 1977 aus St. Petersburg nach Wien. Sie kennt Flüchtlingswelten und ist eine einfühlsame Erzählerin. Ihr erstes Jugendbuch darf man uneingeschränkt empfehlen: Jugendlichen und Erwachsenen.8. Das Buch: Julya Rabinowich: Dazwischen: Ich. München: Carl Hanser Verlag 2016, 255 Seiten, EUR 15,50