Dauerbrenner Trüffeln

20. Dezember 2010 Kurt Bracharz
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Bei den sich im Food-Journalismus jährlich wiederholenden Themen ist es bis zu einem gewissen Grade verständlich, dass immer wieder von Vorgängerpublikationen abgeschrieben wird – woher sollte man auch z. B. bei Spargel wirklich neue Informationen nehmen? Außer der jeweiligen Jahresproduktion und anderen Randbedingungen ist längst alles gesagt – aber eben noch nicht von allen.

Das Nichtendenwollen des winterlichen Trüffelgeschwätzes hingegen hat andere Gründe. Bei diesen Pilzen gäbe es nämlich sehr wohl Neuigkeiten zu vermelden. Offensichtlich haben sich in den letzten drei Jahrzehnten die Quantitäten bei den beiden kulinarisch interessanten Trüffelarten, Tuber magnatum Pico und Tuber melanosporum Vitt., so stark vermindert, dass man Arten in den Handel bringen konnte, die früher niemanden interessiert hätten. Dagegen wäre ja nichts zu sagen, wenn nicht erstens so getan würde, als handele es sich um Gleichwertiges, und zweitens das Minderwertige zu einem durch nichts gerechtfertigten Preis verkauft würde. Diese Entwicklung begann vor etwa zwanzig Jahren, als man an den Marktständen und auf Speisekarten die Sommertrüffel (Tuber aestivum) als "schwarze Trüffel" zu bezeichnen begann, während vorher nur die Perigordtrüffel (T. melanosporum) so genannt wurde. Das ist heute allgemeiner Brauch geworden, zusammen mit der schlauen Idee, einfach nur "Trüffel" zu schreiben, als ob es überhaupt nur eine Art gäbe und noch die mieseste Trüffel eine Delikatesse wäre. Inzwischen steht dahinter nicht immer eine Betrugsabsicht, denn viele jüngere Köche und auch manche Händler wissen es nicht besser, weil sie nie eine erstklassige Trüffel unter die Nase bekommen haben.

In den Medien sieht es kaum anders aus. Drei aktuelle Beispiele: In der deutschen "Food and Travel" für den Januar 2011 gibt es neue, nichtssagende Bezeichnungen für die altbekannten Arten, z. B. Weißtrüffel, schwarze Herbsttrüffel, Wintertrüffel, helle Frühlingstrüffel, schwarze Sommertrüffel, sowie Behauptungen wie "Ihr Duft ist feinaromatisch, ihr nussiger Geschmack gar deliziös" (der Geruch der Weißen Trüffel wird von vielen Menschen als Gestank wahrgenommen, und nach Nüssen schmeckt keine Trüffelart) oder "Edelpilzanfänger greifen lieber zur schwarzen Sommertrüffel, sie ist die mildeste" (die Sommertrüffel kostet etwa ein Drittel der Perigordtrüffel, "mild" ist sie höchstens aus Geschmacksarmut). In der deutschen Ausgabe von "La Cucina Italiana" von Okt./Nov. 2010 erfuhr die Leserschaft, dass man "inzwischen vermehrt dazu" übergehe, statt Schweinen "Hunde für die Suche einzusetzen. So wird es auch im Piemont passiere". Im Piemont wird seit Jahrzehnten ausschließlich mit Hunden gesucht, aber in Frankreich gibt es noch ein Trüffelschwein, das verlässlich in jedem TV-Trüffelbericht gezeigt wird.

Kinder und Narren sagen die Wahrheit, in unserem Falle Dominic Heinzl in "news" 45/10 bei seinem Bericht über eine Trüffelverkostung im Restaurant "Pan e Wien", wenn er schreibt: "Ich behielt beide im Auge, als es bei der Blindverkostung darum ging, die teure Piemont-Trüffel von der billigen chinesischen Trüffel zu unterscheiden. Schmecken beide nach nichts, urteilten die Kritiker. (...) Die Trüffel, gemeinhin um vier Euro das Gramm am Markt erhältlich, ist vor allem preismäßig eine Delikatesse. (...) Kaufen Sie Trüffelöl. Das ist zehnmal billiger und schmeckt zehnmal besser als die teure Knolle!" Was Heinzl nicht weiß: Die Aromen in Trüffelölen kommen aus der Chemiefabrik. Aus den Pilzen kann man sie nicht extrahieren. Das Trüffelscheibchen in manchen Ölen ist bewusste Irreführung.