Das Leben ist ein Fussballer – rette sich wer kann!

17. November 2007
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Eines ist sicher: Nach Georg Danzers Tod und der Schweizer Politik muss es jetzt endlich ums Leben gehen. Ursprünglich wollte ich etwas über Schafe schreiben (weil ich hab mir überlegt gehabt: Eigentlich haben auch Schafe ein Leben!). Dann ist mir aber schlagartig bewusst geworden, dass ich in der vergangenen Kolumne, die explizit dem Thema Krankeit geweiht war, alles schon vorweggenommen hatte. Worauf mir Zweitschlag-artig fast sofort bewusst wurde, dass ich über Schafe nichts mehr zu sagen habe – ausser vielleicht über Wölfe, die sich als Schafe verkleiden und dann für den Betrachter oder die Betrachterin als Schafe im Wolfspelz daherkämen. Das wär schon was, später vielleicht.

Jetzt aber gehts nur ums Leben und zwar ums pralle. Weder Georg Danzers Tod noch die ewige Schweizer Schafskälte soll irgendeinen oder eine von uns davon abhalten können. Das Leben muss sich selbstverständlich über eine gewisse Distanz hinweg abspielen. Ansonsten könnte man sich ja davor nicht mehr retten. Deshalb bin beispielsweise ich ziemlich froh, dass ich im Moment gerade und überhaupt nicht in Thun/BE (Einfallspforte zum schönen Berner Oberland) beheimatet bin. Gerade weil ich die Texte von Michel Houellebecq nicht als "Kioskliteratur" wahrnehme, ja, den Autor – obwohl/gerade weil Franzose – als sexualökonomisch überaus fachmännisch einschätze, muss ich an dieser Stelle bemerken: Die Intimverkehrspraktiken von Fussballern, die in städtischen Klubs nie gewesen oder dann gescheitert und deshalb auf dem Land sind oder dorthin haben ziehen müssen und dann offenbar das Gefühl haben, mir nichts dir nichts übergehen zu dürfen, sind in gewisser Weise einbahnig!

Im Gegensatz zu Houellebecq sind sie das. Müssen sich wirklich zwölf ausVerwachsene Männer von ein und demselben Klub an eine einzige Minderjährige hängen? Ist es tatsächlich so, wie alle Fussballfeindinnen immer zu Recht behaupten: Fussballer haben nun mal kein. Ich sage dann jeweils: OK, das ist ja schon ohkeey, das müssen sie auch nicht... aber... Füsse... oder... wenigstens... Fuss... und... so... Was ich bislang noch nicht richtig bedacht habe: Fussballer müssen nicht nur weder reden noch schreiben oder rechnen oder denken können. Sie müssen auch nicht gut oder schlecht oder nicht kicken können – nein, sie können es sich eindeutig sichtbarlich nicht wirklich leisten, nicht ganz und auch nicht gar zu leben!

Und wie schon kurz angedeutet: Das Leben muss natürlich dann ein AufPrall sein, ansonsten es die schöne Bezeichnung "La vie en rose" nicht verdienen würde. Es muss auch ein AusPhall sein, ansonsten es in Tat und Wahrheit die verführerische Bezeichnung "La dolce vita" nicht für sich in Anspruch nehmen dürfte. UND: ES muss auf jeden Fall (ich will Arno Schmidt nicht überstrapazieren! Wirklich nicht!!) auf einem in diesem Fall (schon wieder nicht!) offenbar nur, manchmal aber nicht nur von Fussballern als originell eingeschätzten EinPhall (sorry, Arno, es lässt sich halt wirklich trotz alledem nicht vermeiden...) – also Es, das Leben muss unbedingt Es bleiben, ansonsten Es eben nicht in den Genuss der Weihen des "Real Life" gekommen sein würde und jeweils immer wieder käme, jawoll.

Hiermit möchte ich vorläufig geschlossen haben (Übersetzung aus dem Italienischen: Ik chabbe ferrtigg!). Da ja jetzt auch beim FC Bayern München Uli Hoeness Giovanni Trapattonis "Flasche leer"-Statement aus dem Jahre 1998 mit seiner (Hoeness") Hommage gegen das falsche Fan-Leben, in dem es, wie schon Theodor W. Adorno korrekterweise konstatiert hat, kein richtiges geben kann, übertrumpft hat, möchte ich aus dem Dschungel heraus nur noch drohen: Ich melde mich wieder. Vermutlich wirds dann nochmal ums Leben gehen. Denn so viel geben Tod und Krankheit nun auch wieder nicht her, nicht wahr? Alors, bis dann: Sauve qui peux – und tschüssi.


Der Schweizer Journalist Beat Hochuli ist gemeinsam mit seiner Frau Liliane ins malaysische Kota Kinabalu ausgewandert und schickt von dort aus in unregelmässigen Abständen seine, also "überm Tellerrand" aus, getätigten Blicke auf westliche kulturelle und gesellschaftliche Prozesse.