Das Kino der Coen-Brüder

3. März 2008 Walter Gasperi
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Attraktiv fürs große Publikum und dennoch dem eigenen Stil und den eigenen Themen treu bleibend, höchst unterhaltsames Kino an der Grenze zwischen Arthouse und Mainstream – so etwas gelingt fast nur amerikanischen Regisseuren. Und die Coens gehören seit ihren Anfängen ganz gewiss zu den Meistern dieses Kinos.

Regie führende Brüderpaare gibt es in der Filmgeschichte mehrere: Die belgischen Dardennes gehören ebenso dazu wie die italienischen Tavianis, die amerikanischen Komödienspezialisten Bobby und Peter Farrelly, die "Matrix"-Macher Andy und Larry Wachowski und die (noch) wenig bekannten Mark und Michael Polish sowie die Schweizer Fosco und Donatello Dubini. Der 1954 in Minnesota geborene Joel Coen und sein drei Jahre jüngerer Bruder Ethan gingen zunächst getrennte Wege. Während Joel in New York Film studierte, widmete sich Ethan in Princeton der Philosophie. Erst nach ihrem Studienabschluss taten sie sich zusammen, um gemeinsam Filme zu drehen.

Nach Versuchen als Cutter einiger Low-Budget-Produktionen wie Sam Raimis "The Evil Dead" ("Tanz der Teufel", 1982) drehten sie 1984 mit "Blood Simple" ihr Spielfilmdebüt. Unübersehbar ist das Vorbild des Film noir, den sie aber mit pechschwarzem bitterem Witz durchsetzen. Dieses Spiel mit Genres und die Lust am Zitat, die sich durch ihr ganzes Werk zieht, macht die Coens auch zu typischen Vertretern des postmodernen Kinos. In plattes Epigonentum verfallen sie dabei kaum, sondern sie variieren und transformieren die Vorbilder und passen sie geschickt den geänderten Zeitumständen an.

Der Film noir liegt dem Brüderpaar dabei ganz besonders am Herzen. "Fargo" (1996) ist davon ebenso geprägt wie "The Big Lebowski" (1997), in dem sie lustvoll Howard Hawks´ Klassiker "The Big Sleep" (1997) ihre Reverenz erweisen. Bei "The Man Who Wasn´t There" (2001) treiben sie diese Verehrung schließlich so weit, dass der Film in seiner Stilisierung sein Eigenleben zu verlieren und förmlich zu einem Museum des Film noir zu werden droht. Doch auch von anderen Genres lässt sich das Brüderpaar inspirieren, von der Scewball-Komödie bei "Arizona Junior" (1987) und "Intolerable Cruelty" (2003), vom Gangsterfilm in "Miller´s Crossing" (1990), von der klassischen britischen Filmkomödie "Ladykillers" bei ihrem von der britischen Insel an den Mississippi verlegten gleichnamigen Remake (2004).

Aber nicht nur mit Genres des klassischen Hollywoodkinos, sondern auch mit dem Studiosystem der 1940er Jahre an sich verstehen sie sich mit bitterbösem Humor auseinanderzusetzen, wie der 1991 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete "Barton Fink" (1991) belegt.

Gemeinsam ist diesen Filmen, aber auch dem eine Fülle von Vorbildern von Homers "Odyssee" über die amerikanischen Kettensträflings- und Ausbrecherfilme der 1930er Jahre bis zu den Musicals von Busby Berkely und Preston Sturges´ Komödie "Sullivan´s Travel" zitierenden und verarbeitenden "Oh Brother, Where Art Thou?" (2000) ein sich nur leicht veränderndes, teils von gleich bleibenden Schauspielern wie John Goodman, John Turturro oder Joel Coens Frau Frances McDormand gespieltes Typenarsenal.

Sympathisch oder gar liebenswert sind die Protagonisten der Coenschen Welt selten. Immer stehen egoistische, geldgierige, korrupte und dumme Figuren, die sich einen feuchten Dreck um ihre Mitmenschen kümmern, im Mittelpunkt. - Böse und pessimistisch ist der Blick der Coens auf die Menschheit, aber die Durchsetzung mit schwarzem Humor macht diese Filme trotzdem zu einem Vergnügen für die Zuschauer.

Geschlossenheit gewinnt das Werk der Coens aber auch durch seine – von Ausnahmen abgesehen – sorgfältige geographische und zeitliche Verankerung. Die Mississippi-Region prägt "Oh Brother, Where Art Thou?" und "Ladykillers" ebenso wie der winterliche ländliche Mittelwesten "Fargo" oder die vegetationsarmen Weiten von Texas "No Country for Old Man", der ebenso Reflex auf den Western wie auf den Film noir ist. Und "Barton Fink" und "The Man Who Wasn´t There" sind wiederum ganz durchdrungen von der Stimmung, die viele amerikanische Filme der 1940er Jahre vermittelten.

Alles andere als Zeitbilder sind diese Filme dennoch, denn die Coens - und das gehört zum großen Reiz ihrer Filme - schaffen immer eigene Welten. Was historisch und geographisch exakt wirkt, ist in Wirklichkeit so fiktiv wie die Geschichten, deren Wahrheitsgehalt sie mehrfach ("Fargo", "The Big Lebowski") behaupten. - Immerhin schränkt der Erzähler am Ende von "The Big Lebowski" ein: "Auch wenn die Geschichte nicht wahr ist, so ist sie zumindest ziemlich gut - ich habe mich halb tot gelacht, an manchen Stellen wenigstens."

Retrospektive der Filme der Coen-Brüder derzeit im Stadtkino Basel