Das ist keine Mispel!

21. April 2014 Kurt Bracharz
Bildteil

Wenn man diese Überschrift in das Foto unten einmontierte, würde das Ganze an Magrittes berühmtes Bild "Ceci n’est une pipe" erinnern. Die gelben Früchte auf dem Bild sind Loquats (Eriobotrya japonica), sie werden auf dem Wochenmarkt zwar als "Mispeln" verkauft, gehören aber nicht zur selben Gattung wie jene kleineren, grünlichen und harten Früchtchen, die im Deutschen seit jeher als Mispeln bezeichnet werden.

Beim vergleichsweisen Verzehr würde einem der wesentliche Unterschied schnell klar: Die aprikosenfarbige Frucht, deren Reifezeichen ein paar dunkle Stellen auf der Schale sind, hat ein pikant süß-säuerlich schmeckendes Fruchtfleisch und kann einfach so aus der Hand gegessen werden (wobei sich Schälen und Entkernen empfiehlt, die Schale enthält viel Gerbsäure, die Kerne sollte man nicht schlucken). Die Echte Mispel (Mespillus germanica) schmeckt hingegen sauer und bitter und ist hart und ohne Zubereitung eigentlich ungenießbar. Beide gehören zu den Kernobstgewächsen aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae), aber zu verschiedenen Gattungen.

Dass Loquats auf dem Markt als Mispeln verkauft werden, liegt historisch daran, dass der Botaniker Carl Peter Thurberg den Baum 1780 Mespillus japonica, also Japanische Mispel, nannte, und dass die Früchte seither in europäischen Sprachen als Japanische Wollmispel, Mispero, Nespolo und Nispero bezeichnet werden; in Japan heißen sie Biwa, in China Pipa. Da keine Marktfrau "Japanische Wollmispel" auf das Schildchen schreiben wird, glauben natürlich viele Kunden, Loquats seien "unsere" Mispeln, die man eher vom Hörensagen als vom Augenschein kennt, denn sie kommen praktisch nicht in den Verkehr.

Das Wort "Wolle" in "Wollmispel" bezieht sich nicht auf die Früchte, deren Schalen glatt sind, sondern auf die Behaarung der Unterseite der Laubblätter des Wollmispelbaums, der 7 bis 12 Meter hoch werden kann. Er dürfte ursprünglich aus den zentralchinesischen Provinzen Chongquing und Hubei stammen, wurde aber schon früh in Südjapan und Südostasien kultiviert und wird heute unter anderem auch rund um das Mittelmeer angebaut.

Loquats enthalten viel Kalium und Vitamin A und haben eine harntreibende Wirkung. Die TCM setzt Loquat-Sirup gegen Halsentzündungen, Husten und Heiserkeit ein. Das wird auch in Linda Bladholms Einkaufsführer "The Asian Grocery Store Demystified", Los Angeles 1999, erwähnt: "Loquats are eaten fresh, cooked and made into jelly. Sliced and added to flavor beef and poultry dishes. Also made into cough syrup for sore throats and coughing."

Der "Leitfaden Chinesische Phytotherapie" von Hempen und Fischer, München 2001, nennt allerdings nicht den Früchtesirup, sondern einen Tee aus den Blättern als Heilmittel gegen Bronchitis, "Hitze im Magen" und "Feuchte Hitze der Mitte".