Das 3D-Multiple als Reflexion kunsthistorischer Zitate und zeitaktueller Themen

In der aktuellen Ausstellung "Marxx Mutiples 21-24" in der Lustenauer Galerie Villa Marxx dreht sich alles um das Multiple an sich. In über dreissig kleinformatigen Kunstobjekten, die in den letzten drei Jahren entstandenen sind, zeigt Werner Marxx Bosch eine Kunstform, die ganz spezielle Besonderheiten aufweist. Multiples sind Kunstwerke, von denen mehrere, üblicherweise identische Exemplare hergestellt werden. Sie sind demnach keine Kopien eines Originals, sondern selbst lauter Originale.

Der Begriff wurde 1959 von dem Schweizer Künstler Daniel Spoerri im Zusammenhang mit seiner Edition MAT (Multiplication d’Art Transformable) geprägt. Dahinter stand die Idee, kleine, dreidimensionale Kunstwerke in Serie zu produzieren und zu einem günstigeren Preis zu verkaufen, als das bei Unikaten möglich war. Auf diese Weise sollte die Kunst einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Vorbild war hier der französische Künstler Marcel Duchamp, der zwischen 1935 und 1941 Miniaturrepliken einiger seiner Readymades herstellen ließ und in der "Schachtel-im-Koffer" als Edition herausgab. Alle Multiples von Marxx Bosch wurden in den letzten drei Jahren am Computer entworfen und in der Technik des 3D-Drucks produziert. Die Inspiration zu dieser Art der künstlerischen Produktion leite sich vom Wunsch ab, das erste von ihm entworfene Schachspiel "Denken = Raum" aus dem Jahre 1986 in dieser Technik neu aufzulegen, lässt der Künstler wissen. Die 3D-Drucktechnik basiert auf digitalen 3D-Entwürfen die mit einem organischen Material in Form eines 1,2 mm dicken Drahtes schichtweise und sukzessive in 0,2 mm Dicke aufgeschmolzen wird. In vielen Durchgängen entsteht schließlich ein räumliches Objekt. 

In diesem Querschnitt aus dem 3D-Schaffen von Marxx Bosch, spannt sich der Themenbogen von kunstgeschichtlichen Themen bis zu Wort- bzw. Buchstabenarbeiten. Der Künstler greift zum Teil Themen auf, die er schon vor 30 Jahren, aber in anderer Form behandelte. Da ist etwa das Thema von C. D. Friedrich "Der Wanderer über dem Nebelmeer" aus dem Jahr 1818. Dieses klassische Thema der Romantik transformiert Marxx Bosch in die Gegenwart, indem er einen von der Weite aus sichtbaren Atompilz hineinarbeitet. Der Wanderer, der vom Gipfel eines Berges aus in das Nebelmeer blickt, entdeckt links unten einen sich entfaltenden Atompilz. Dieses drohende Bild einer gewaltigen Atomexplosion ist heute aktueller denn je. 

Naheliegend zu diesem Thema sind auch die Arbeiten mit den weltbekannten Symbolen der Arbeiterklasse, Hammer und Sichel. Dazu entwirft Marxx eine Reihe von Objekten, Reflexionen mit und über diese Symbole. Mal in ironischer Weise mit Flügeln, mal in selbstzerstörerischer Weise, in dem sie sich gegenseitig attackieren. Zur "Hammer und Sichel” - Serie gehört auch die Skulptur "HammerSichelPanzer”. Zu sehen sind mehrere Symbole des Krieges. Als Hauptsymbol dient der halb in einem Sumpf versunkene Panzer. Attackiert wird der Panzer von einem überdimensionalen Hammer und einer Sichel, die ihn außer Gefecht setzen. Das Kriegsgerät versinkt im Sumpf und wird durch die Werkzeuge, die ihn selbst gebaut haben, zerstört.

In der Arbeit „Kegel, Kugel, Zylinder, Pixel” weist Marxx auf den französischen Maler Paul Cézanne hin, der einmal sinngemäß gesagt hat, dass sich alle Objekte der Welt auf die geometrischen Grundformen Kegel, Kugel und Zylinder reduzieren lassen und man mit ihnen die Welt rekonstruieren könne. Marxx erweitert diesen Satz um das Wort "Pixel”, als Hinweis, dass wir im Pixelzeitalter leben. Es ist das kleinste Element, mit dem die ganze Welt rekonstruiert, aber auch zerstört werden kann.

Aus dem einfachen englischen Wort "You” ist eine Art Ikone der Selbstverwirklichung entstanden. Kommt dann noch das Videoabspiellogo von Youtube in die Formation hinein, reflektiert man automatisch über die sozialen Medien, die jeder von uns verwendet und benutzt. Diese Medien dienen nicht nur der Selbstverwirklichung, sondern durch sie wird das Individuum, oder ganze Gesellschaften manipuliert. 

Eine "Skizze” ist einfach eine Idee, die schnell, mit dem einfachsten und elementarsten Zeichenmedium, dem Bleistift oder etwas ähnlichem hergestellt wird. Nimmt man das Wort ”Skizze” her und gibt es unter einen Rahmen, wird das Wort zur Skizze. Die Skizze ist Wort und Skizze zugleich.

Ausgehend vom russischen Künstler und Begründer des Konstruktivismus, Wladimir Tatlin, entstanden eine Reihe von reliefartigen Skulpturen oder skulpturalen Reliefs mit Bezug auf die Abstrakte Kunst, die Marxx Bosch in seiner Malerei betreibt. Diese kleinen Reliefs wachsen in der zweiten Abhandlung zu richtigen Skulpturen heran. Basis dafür ist immer eine Zeichnung die in die dritte und letztlich in die vierte Dimension ausgedehnt wird. Die Grundfrage, wie kann man aus einer zweidimensionalen Zeichnung eine dreidimensionale Skulptur generieren, die in der Betrachtungsweis die vierte Dimension verlangt. Die vierte Dimension in der Form, dass diese Skulpturen von allen Seiten betrachtet werden müssen, um die Veränderung der Form durch die Veränderung des Betrachtungswinkels zu realisieren. 

Der russische Künstler W. Tatlin wird mit einer Hommage genauso verewigt wie der österreichische Zeichner und Illustrator A. Kubin. Wenn Marxx Bosch die furchterregende Figur aus dem Bild "Krieg“ von Kubin aufgreift und sie mehrere Male diametral sich gegenüberstellt, entsteht das Multiple "Endless War“.

Summa summarum spannen die Arbeiten, die über einen spielerischen Zugang verfügen, einen Bogen zwischen der sinnlichen und intellektuellen Rezeption von Kunstwerken aus der Kunstgeschichte genauso, wie aus der aktuellen Gegenwart. 

Marxx Bosch: "3D-Multiples 21-24"
Galerie Villa Marxx, 6890 Lustenau, Schillerstr. 11
5.10.-31.12.
Eröffnung: 5.10., 18.00 Uhr
Do-Fr 15-17, Sa 9-11 u.n.V.