Damals und jetzt - Roland Haas im Rathaus Bludenz

2018 widmete das Kunstforum Montafon seinem Leiter Roland Haas anläßllich seines 60. Geburtstages – der Künstler kam 1958 in Bludenz zur Welt - eine Personale. Nun, drei Jahre später, ist eine weitere Jubiläumseinzelschau angesagt, und zwar in Form einer grossen Retrospektive im Rathaus Bludenz. Denn hier, in seiner Geburtsstadt, erhielt Roland Haas 1980, damals erst 22-jährig und noch Student an der Akademie der bildenden Künste in Wien unter anderem bei den Professoren Friedensreich Hundertwasser und Edelbert Köb, die Einladung zur ersten Einzelausstellung in seiner Künstlerkarriere. Eigentlich hätte die Werkschau bereits letztes Jahr zum 40. Jahrtag dieser ersten Personale stattfinden sollen, aber aufgrund der Pandemie wurde sie um ein Jahr vertagt.

Den Künstler, der sich in seinem Schaffen der klassischen und experimentellen Aquarell- und Acrylmalerei, sowie der "Landart" in verschiedensten Ausprägungen widmet, freut dies genauso. Jedenfalls seien diese 41 Jahre wie im Flug vergangen. Kein Wunder, wenn man die unzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen, die er bestritt, und seine diversen didaktischen Jobs denkt, wie etwa die Gastdozentur in Houston (Texas), die Lehrtätigkeit an der Europäischen Kunstakademie in Trier, als Projektleiter der Bergsymposien "SilvrettAtelier" und als Kunsterzieher verbindet Haas seine eigene künstlerische Tätigkeit mit Kunstmanagement und -pädagogik.

Zwar sei das Rathaus mit seinen Klinkerwänden denkbar ungeeignet für Ausstellungen, aber er wolle quasi zum Jubiläum dort nochmals seine Werke präsentieren und jedenfalls nicht nochmals zehn Jahre bis zum 50er warten, denn wer weiß, bis dahin könnte das Rathaus ja vielleicht schon abgerissen sein.

Ausser dem Rathaus verbinde ihn aber noch viel mehr mit Bludenz, so Haas. So habe er acht Jahre lang das Bundesgymnasium Bludenz besucht und sei dort sechs Jahre lang vom „besten BE-Lehrer aller Zeiten“ unterrichtet worden, nämlich Ingo Springenschmid, der maßgeblich an seiner Karriere "Schuld" trage. Und darüber hinaus habe er in der Alpenstadt seinen ersten Großauftrag (und einzigen gewonnenen Wettbewerb) erhalten: Die künstlerische Gestaltung des Ambulanzraumes und des Restaurants im damals neuen Spital Bludenz im Jahre 1983.

Seit damals bis heute hat Roland Haas kontinuierlich an der Entwicklung seines Kunstkosmos gearbeitet. Für Kultur-Online führte Karlheinz Pichler mit ihm das nachfolgende Gespräch.

Kultur-Online: Was bedeutet für dich das Bewußtwerden des Faktums, dass du bereits 41 Jahre künstlerisch tätig bist? Löst dies eine Art Torschlusspanik aus oder ist es Ansporn für weitere 40 Jahre?

Roland Haas: Nunja, künstlerisch "tätig" bin ich schon etwas länger... das macht aber dieses Faktum nicht leichter zu ertragen. Ich hab keine Torschlusspanik, sondern bin mir längst bewusst, dass ich nicht mehr ein Malerfürst werden kann, der z.B. im KUB ausstellen wird. Bei Durchsicht im Atelier, bei dieser Wahnsinnsmenge an Werken, die ich geschaffen habe, hab ich mir gedacht: was sollen einmal meine drei Töchter mit diesem Erbe anfangen? Tausende Aquarelle, zig große Acrylgemälde auf Leinwand! Also habe ich beschlossen, schlechte Werke zu vernichten und künftig nicht mehr auf Teufel-komm-raus ins Blaue zu produzieren.

Kultur-Online: Wie würdest du dich selber heute einschätzen – befindest du dich am kreativen Höhepunkt deines bisherigen Schaffens?

Roland Haas: Der Vorteil in der Kunst ist, dass man fast nie zum alten Eisen zählen wird – solange man halbwegs gesund und geistig fit bleiben kann. Also erwarte ich von mir schon noch eine künstlerische Weiterentwicklung.

Kultur-Online: Du bist ja nicht nur Künstler, sondern leitest auch das Kunstforum Montafon (KFM), das SilvrettAtelier und du unterrichtest auch am BG Gallus in Bregenz. Ausserdem organisierst du Aquarellreisen, sogar bis nach Nepal. Wie bringst du dies alles unter einen Hut?

Roland Haas: Ich stoße definitiv an meine Grenzen. Erst vor wenigen Wochen habe ich körperlich deutlich zu spüren bekommen, dass meine Energie enden wollend ist, was ich bislang nie so recht wahrhaben wollte. Malreisen sind seit ein paar Jahren schon nicht mehr geplant, vielleicht wieder in zwei Jahren, wenn ich als AHS-Lehrer in Pension gehen werde. Das Unterrichten am Gymnasium kostet immens viel Energie!

Kultur-Online: Was das Künstlerische anbelangt, fällt auf, dass du dich in letzter Zeit verstärkt vom „Berg-Aquarellist“ hin zum gesellschaftskritischen Acrylmaler entwickelt hast, der in grossformatigen Bildern den Raubbau an der Natur und die technoide Verbauung der Landschaft ins Bild setzt. Wie ist es dazu gekommen? Aus innerem Antrieb?

Roland Haas: Ich will diese von Menschenhand geschaffenen Veränderungen nicht anprangern, sondern als Teil unseres Seins im Gebirge verstanden wissen. Außerdem bergen solche Veränderungen ein ganz eigene Ästhetik, der ich in meiner künstlerischen Arbeit nachspüre. Oft bietet mir das reine, unberührte Bergidyll (das wir immer noch finden können) zu wenig Reibungsfläche, an der sich meine Malerei entwickeln könnte. Meine Werke sind denn auch alles andere als reines Abbild der Realität, wenn es auch auf den ersten Blick so aussehen mag.

Kultur-Online: Stehen die Aquarellmalerei und die Acrylkunst gleichwertig nebeneinander? Was bevorzugst du aktuell?

Roland Haas: Weder noch: das kommt ganz auf die Situation an: bin ich im Freien unterwegs, arbeite ich ausschließlich mit Aquarellfarben auf Papier, wegen der Spontaneität und dem geringen Materialaufwand. Möchte ich ein komplexeres Thema umsetzen oder großformatig arbeiten, ist für mich die Acrylmarei auf Leinwand ideal: schnell trocknend und wasserverdünnbar, sodass meine Acrylgemälde meistens „aquarellig“ wirken. Aber wie schon erwähnt, derzeit male ich nicht sehr viel: während dem ersten Lockdown, als so viel Zeit gewesen wäre, habe ich ein einziges Großformat geschaffen - dafür aber ein ganz besonderes: “Auf der Flucht“, inspiriert von der Theaterwanderung in Gargellen, zum 75-Jahr-Jubiläum des Endes der Nazi-Herrschaft.
Zuletzt – und das ist auch schon wieder bald ein Jahr her, habe ich meine Mutter im Totenbett gemalt – aus einem inneren Bedürfnis heraus... ich weiß noch nicht, ob ich dieses Bild ausstellen möchte...

Kultur-Online: Du als Leiter der KFM und des SilvrettAteliers sowie Kursgeber: Was bedeutet dir die Kunstvermittlung persönlich?

Roland Haas: Die Kunstvermittlung im KFM ist Gottseidank nicht alleine meine Aufgabe, das Ehepaar Franz & Helene Rüdisser leistet da immer noch vorbildliche Arbeit mit Ihren "kunsKINDERkunst"-Programmen. Ich halte Führungen ab und versuche durch zusätzliche Programmpunkte wie Kammerkonzerte , Podiumsdiskussionen oder Lesungen mehr und anderes Publikum zu gewinnen und ihnen die zeitgenössische Kunst quasi nebenbei zu vermitteln. Im Gymnasium sehe ich meine Aufgabe neben dem Vermitteln von diversen Techniken vor allem darin, ein besseres Kunstverständnis – v.a. der modernen Kunst – bei den Heranwachsenden zu erreichen.

Kultur-Online: Beim SilvrettAtelier hat es ja einen Sponsorwechsel von den VIW zur Silvretta - Montafon gegeben. Ist dieses Arbeiten in der Gruppe im hochalpinen Bereich nun längerfristig gesichert?

Roland Haas: Das ist schon sechs Jahre her. Das SilvrettAtelier 2022 ist bereits in trockenen Tüchern. Nachdem die Silvretta-Montafon auch in der schwersten Zeit der Pandemie uns weiter das Symposium ermöglicht hat, darf ich davon ausgehen, dass es auch längerfristig gesichert ist - aber: nix ist fix...und irgendwann werde ich ja aufhören. Leider ist weit und breit kein/e Nachfolger/in – weder beim KFM, noch beim SilvrettAtelier, in Sicht.

Kultur-Online: Gibt es weitere konkrete Projekte für die nahe Zukunft? Was würdest du noch gerne machen? (Außer im Louvre auszustellen :)?)

Roland Haas: Soweit ich weiß, sind im Louvre nur Werke von verstorbenen Künstler*innen zu sehen ;)
Ich bin da sehr realistisch und bin froh, dass ich nicht auf den kommerziellen Erfolg angewiesen bin. Das gibt mir unglaublich viel Freiheit im künstlerischen Tun. Aber konkret freu ich mich auf eine Ausstellungsbeteiligung im Kunsthaus Glarus (Eröffnung 12. 12. 2021) wohin ich durch den "Heimspiel"-Wettbewerb endlich gekommen bin.

"Roland Haas - Dann und Jetzt"
Rathaus Bludenz
20.11.-5.1.
Vernissage: 19.11., 19.00 Uhr.
Finissage: 5.1.2022, 19.00 Uhr (inkl. Vortrag)
9.12.: Vortrag im Stadtvertretungszimmer