Change

18. November 2017 Bernhard Sandbichler
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Die Digitalisierung (und nicht nur die) verändert unsere Welt. Aber verändern auch wir uns? Die Zeitgeist-Analytiker Philipp Blom und Gerald "Investmentpunk" Hörhan sind da eher pessimistisch.

  • Achse 1: Diagnose
    Der Großteil der Mittelschichtjobs, und damit die Mittelschicht selbst, verschwindet gerade, sagt Hörhan. Nur will es keiner wahrhaben.
     
  • Achse 2: Prognose
    Viel lieber klebt man mangels besserer Zukunft am Status quo. Angst hängt trotzdem in der Luft, und eine unbestimmte Wut. Unterschichtler - und immer mehr Mittelschichtler - wollen aus der Gegenwart zurück in eine bessere Vergangenheit, Mauern bauen, sich wieder sicher fühlen.
     
  • Achse 3: Entwicklung
    Früher hatte man noch Zeit, sich zu verändern. Amsterdam etwa brauchte beinahe 100 Jahre, um sich vom unbedeutenden Ort der Bauern und Heringfischer in eine der mächtigsten See- und Handelsmächte zu wandeln. Jetzt heißen die drei Erfolgsfaktoren Schnelligkeit, Technologie, Marke. Wer das heute nicht begreift, wird morgen verlieren.
     
  • Achse 4: Intelligenz
    Dummerweise wird der Verlust hoch sein und alle, bis auf wenige treffen. Die Mono- und Oligopolisten - allesamt first movers in Sachen Digitalisierung - werden alles bekommen (Hörhan). Grundeinkommen? Wäre eine intelligente Idee. Eher unwahrscheinlich, dass sie umgesetzt wird. Dafür nimmt unsere Gesellschaft Lohnarbeit zu sehr als einzig tugendhaften Weg wahr (Blom).
     
  • Achse 5+6: Körper+PsycheRechner werden Erstdiagnosen stellen, Rezepte und Überweisungen ausstellen, Prävention auf Basis ständiger Datenerhebung und -analyse forcieren, Körperteile reparieren: gute Aussichten für PatientInnenen, schlechte für KrankenhausmitarbeiterInnen (Hörhan).
     
  • Achse 7: Alltag
    Die Gegenwart verändert sich, was schon jetzt bedeutet: millionenfache Migration, Klimawandel, kollabierende Sozialsysteme, explodierende Kosten, Bomben in Nachtklubs, Umweltgifte, ausbleichende Korallenriffe, massenhaftes Artensterben, versagende Antibiotika, Überbevölkerung, Islamisierung, Bürgerkrieg (Blom). Die gute Nachricht: Es gibt in der digitalen Welt praktisch nach allem, das jemand wirklich tun möchte und in dem er wirklich gut ist, eine Nachfrage (Hörhan). Man braucht es nur zu tun.
     

Philipp Blom: Was auf dem Spiel steht. München: Hanser 2017, 224 Seiten, EUR 20,60

Gerald Hörhan: Der stille Raub. Wie das Internet die Mittelschicht zerstört und was Gewinner der digitalen Revolution anders machen. Wien: edition a 2017, 192 Seiten, EUR 21,90