Cannes 2009: Von Almodovar bis Tarantino

13. Mai 2009
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Alljährlich glänzt das Line-Up des Filmfestivals von Cannes mit illustren Namen. Eine so geballte Ladung an Starregisseuren, wie sie die 59. Auflage (13. bis 24. Mai 2009) bietet, hat allerdings auch für das größte Filmfestival der Welt Seltenheitswert.

Eröffnet wird das Festival an der Croisette erstmals mit einem Animationsfilm. Reverenz erwiesen wird mit der Präsentation von "Up" an medienwirksamer Stelle wohl auch dem Erfolg der computeranimierten Filme von Pixar. Klassisches Autorenkino dürfte dagegen im Wettbewerb angesagt sein. Kein Regisseur ist unter den Ausgewählten, dessen Nennung nicht schon Erinnerungen an andere Filme, einen bestimmten Stil und bestimmte Themen weckt. Überraschungen wie im letzten Jahr mit "Waltz with Bashir" oder vor zwei Jahren mit "Vier Monate, drei Wochen, zwei Tage" dürften folglich eher ausbleiben. Zurecht glücklich und zufrieden wird man aber sein, wenn die Altmeister, das, was sie bisher machten auf gleichem oder sogar höherem Niveau fortsetzen – etwas anderes zu machen ist auch gar nicht ihre Aufgabe – und die noch nicht so Arrivierten ihren Stil verfeinern.

Zu den Altbekannten in Cannes gehört Michael Haneke, der mit seiner am Vorabend des Ersten Weltkriegs spielenden Dorfgeschichte "Das weiße Band" zum sechsten Mal im Wettbewerb an der Cote d´Azur vertreten ist. Dass Isabelle Huppert, die Haneke mit "Die Klavierspielerin" eine große Hauptrolle zu verdanken hat, Jurypräsident ist, dürfte die Preischancen von "Das weiße Band" nicht schmälern. Schon länger bekannt ist, dass Quentin Tarantino seinen Weltkriegsfilm "Inglorious Bastards" nach Cannes bringt, während Francis Ford Coppola seinen "Tetro", der außer Konkurrenz gezeigt werden sollte, wohl verärgert nicht in den Wettbewerb eingeladen worden zu sein mit der Begründung ein so großes Festival sei für so einen persönlichen Film nicht der geeignete Premierenort zurückgezogen hat. - Vorerst zumindest: Denn die Einladung "Tetro" als Eröffnungsfilm in der renommierten, im Grunde wohl eher jungen Regisseuren vorbehaltenen Schiene "Quinzaine des realisateurs / Director´s Fortnight" zeigen zu dürfen, hat Coppola dann doch angenommen.

Überhaupt sind die Amerikaner im Wettbewerb neben Tarantino nur mit "Taking Woodstock" des US-Taiwanesen Ang Lee vertreten, ganz stark dagegen die europäische Präsenz: Pedro Almodovar präsentiert seinen in Spanien schon angelaufenen "Los Abrazos Rotas" ebenso wie Isabel Coixet, die zuletzt mit der Philip-Roth-Verfilmung "Elegy" scheiterte, mit "Map of the Sounds of Tokyo" die seltsam anmutende Geschichte um eine japanische Fischverkäuferin, die zu einem Berufskiller wird.

Achtet man auf die Geschlechterverteilung sind die Regisseurinnen heuer recht stark vertreten. Neben Coixet bringt der Wettbewerb auch die Rückkehr der Neuseeländerin Jane Campion, die in "Bright Star" vom britischen Romantiker John Keats erzählt, sowie mit "Fish Tank" den zweiten Film von Andrea Arnold, der mit "Red Road" vor einigen Jahren ein starkes Debüt gelang. Die Briten sind daneben noch mit Ken Loachs Film über den französischen Fußballer Eric Cantona ("Looking for Eric") vertreten.

Nicht fehlen darf in Cannes auch eine starke Präsenz des Gastgeberlandes. Jacques Audiard stellt nach seinem intensiven und kraftvollen Psychogramm "Un battre de mon coeur" mit "Un prophete" einen Film über einen jungen Gefängnisinsassen in Frankreich vor, während der 87-jährige Altmeister Alain Resnais mit "Les herbes folles" vertreten ist. Für einen Skandal, oder zumindest für Schocks ist nach seinem rückwärts erzählten Vergewaltigungsdrama "Irreversible" sicher Gaspar Noé gut, der in "Enter the Void" von der Beziehung eines Geschwisterpaares erzählt, eher ein nettes Feelgood-Movie ist dagegen von Xavier Giannoli ("A l´origine") zu erwarten.

Gespannt sein darf man, wie Lars von Trier seine (angebliche?) Depression überwunden hat und welche neuen (?) Wege er in seinem mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe stark besetzten "Antichrist" einschlägt. Zu den großen Außenseitern des Kinos zählt auch der Palästinenser Elia Suleiman, der nach seinem Kritikererfolg mit "Intervention Divine" nun in "The Time that Remains" Schicksale in seiner Heimatstadt Nazareth schildert.

Während nicht nur Deutschland, sondern ganz Osteuropa, Lateinamerika und Afrika im Wettbewerb komplett fehlen, ist die asiatische Kinematographie äußerst stark präsent. Der Koreaner Park Chan-Wok präsentiert mit der Vampirgeschichte "Thrist" ebenso einen neuen Film wie der Taiwanese Tsai Ming-Liang mit dem im Louvre mit Stars wie Laetitia Casta, Fanny Ardant und Jeanne Moreau gedrehten "Face"". Der Hongkonger Johnny To schickt in "Vengeance" Johnny Hallyday als Ex-Berufskiller auf Rachefeldzug, der Chinese Lou Ye zeigt seinen heimlich gedrehten Film "Frühlingsnächte" und auf das aufstrebende philippinische Kino aufmerksam gemacht werden soll mit "Kinatay", mit dem Brillante Mendoza zum zweiten Mal hintereinander im Wettbewerb von Cannes vertreten ist.

Dazu kommen außer Wettbewerb Alejandro Amenabars mit Spannung erwarteter Antikfilm "Agora", neue Filme von Terry Gilliam und des Malinesen Souleiman Cissé und beispielsweise in der Reihe "Un certain regard" - die im Grunde für Debüts und zweite Spielfilme gedacht ist oder bislang war - neue Werke vom koreanischen "The Host"-Regisseur Bong Joon-ho, vom Japaner Hirokazu Kore-eda, vom Kurden Bahman Ghobadi oder der von Cristian Mungiu produzierte und teilweise inszenierte Episodenfilm "Tales from the Golden Age". - Wenn die Namen nur halbwegs das halten, was sie versprechen, müsste Cannes 2009 ein ganz großer Jahrgang mit Highlights und meisterhaften Filmen am Fließband werden.