Wie in ihren bisherigen Filmen "Im Wunderland" und "Die Kinder des Geldes" beschäftigt sich die Liechtensteinerin Daniella Marxer auch in "Zuoz", der zu den Höhepunkten der 43. Solothurner Filmtage zählt, mit der Welt der Reichen und Machtverhältnissen. Mit großer formaler Geschlossenheit beschwört Marxer die beklemmende Stimmung im Engadiner Eliteinternat Zuoz und schildert diese Insel der Reichen als Welt der Kontrolle und strenger Hierarchien.
Beklemmung erzeugt "Zuoz" von den ersten Bildern und Tönen an, wenn ein Zug durch eine winterlich verschneite, von drohenden Bergen bestimmte Landschaft rattert und ein Sounddesign, das das Rattern des Zuges verstärkt und verzerrt, eine beunruhigende Atmosphäre erzeugen. Die Silhouette einer Frau im Zugfenster – es ist das Gesicht der Regisseurin Daniella Marxer - deuten dabei aber gleichzeitig schon an, dass der Film nicht an Objektivität interessiert ist, sondern einen subjektiven Blick auf das Eliteinternat liefert.
Diese einleitenden Bilder sind dann auch - mit Ausnahme einer kurzen Eishockeyszene – die einzigen Außenaufnahmen. Marxer beschränkt sich in ihrem 70minütigen Film ganz auf das Leben im Internat, lässt die Kamera – Erinnerungen an Gus Van Sants "Elephant" können aufkommen – durch die kahlen Gänge schweben, blickt mit dem Erzieher in die Zimmer der SchülerInnen und beobachtet SchülerInnen und Lehrer im Alltag. – Die Beschränkung auf das Leben in dem burgartigen, über dem Engadin liegenden Gebäude und Blicke aus den Fenstern auf die verschneite Landschaft, vermitteln immer wieder ein beklemmendes Gefühl des Ab- und Eingeschlossenseins.
Verstärkt wird dieses noch dadurch, was man sieht. Der Erzieher tritt bei seinem Kontrollgängen nach bestenfalls kurzem Klopfen in die Zimmer ein und fordert zum Studium auf, führt mit einem Alkomat Kontrollen durch und immer wieder ist von der Androhung eines Ausschlusses oder dem Ausschluss die Rede. Hierarchien werden aber auch unter den Schülern sichtbar und die älteren werden von der Internatsleitung sogar beauftragt die jüngeren zu disziplinieren und an die Ordnung des Hauses zu gewöhnen.
Im Gegensatz zum Leitbild der Schule, in dem von Erziehung zur Toleranz und Weltoffenheit - dem "Spirit of Zuoz" - die Rede ist, vermittelt Marxers Film ein Klima von Hierarchien und ausgeprägtem Kontrollsystem. Einzige Privatsphäre der Zöglinge ist ihr Zimmer, das sie wohl auch bewusst als Protest gegen die Obrigkeiten nicht aufräumen und mit Postern von (halb)nackten Frauen auskleiden.
Off-Kommentar ist ebenso wenig nötig wie Interviews. "Zuoz" erzählt sich ganz von selbst durch die Alltagsbeobachtungen, wobei das natürliche Agieren der Zöglinge und mehr noch der Lehrer, für die ihr in der heutigen westlichen Welt anachronistisches antidemokratisches Verhalten ganz normal zu sein scheint, wesentlich zum dichten und authentischen Eindruck des Films beiträgt.
Auf den Unterricht blickt Marxer nur in einer kurzen Szene, in der auf ihre Anregung über Reichtum und Armut in dieser Welt diskutiert wurde um diese Jugendlichen zumindest für kurze Zeit aus ihrer Welt herauszureißen und zum Nachdenken anzuregen. – Denn Geldsorgen kennen die Zöglinge nicht, müssen doch rund 60.000 Franken für einen Aufenthalt in diesem Internat pro Jahr bezahlt werden.
Solche Informationen spart der Film aber aus. Er beschränkt sich ganz auf das Atmosphärische. – Der Internatsleitung und ehemaligen Schülern hat das dabei vermittelte Bild freilich weniger gefallen und nochmals würde Daniella Marxer wohl keine Drehgenehmigung in Zuoz erhalten.
Wird am Mittwoch, 23.4. (in Anwesenheit der Regisseurin) und Dienstag, 30.4. jeweils um 20.30 Uhr im Spielboden Dornbirn
sowie am Dienstag, 22.4. (in Anwesenheit der Regisseurin) und Mittwoch, 23.4. jeweils um 20 Uhr im Takino Schaan gezeigt.