Bericht vom 40. Iberoamerikanischen Filmfestival Huelva

27. November 2014
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Seit 40 Jahren findet in der andalusischen Stadt Huelva ein Filmfestival statt, das sich auf lateinamerikanische, spanische und portugiesische Filme spezialisiert hat und somit neben Havanna eines der umfassendsten Schaufenster des iberoamerikanischen Films darstellt. Der neue Festivaldirektor Pedro Castillo sorgte für etwas frischen Wind: Mit der Senkung der Eintrittspreise für normale Vorstellungen auf zwei Euro und für die Eröffnungsgala sowie die Preisverleihung auf fünf Euro sorgte er für randvolle Säle.

Andererseits gelang es Catillo nicht, die Stadt festivalgerecht zu schmücken und so war nur die Gegend um das Rathaus und die "Casa Colon" entsprechend beflaggt. Auch kommt im Kinocenter "Avalon", das sich in einem Einkaufszentrum am Stadtrand befindet, im Gegensatz zum Stadttheater und Rathaussaal kaum echte Festivalstimmung auf.

828 Filme wurden eingereicht (248 Spielfilme, 540 Kurzfilme und 44 Dokumentarfilme), davon kamen 212 in die engere Auswahl, schließlich wurden 135 Filme aus 17 Ländern vorgeführt, 14 im Wettbewerb. - Wie so oft war der Geschmack der Jury nicht derselbe wie der des Publikums, besonders in Bezug auf den Hauptpreis.

Mit dem Goldenen Columbus ausgezeichnet wurde "Zanhoria" ("Die Karotte“") von Enrique Buchichio aus Uruguay, der an Hand einer wahren Begebenheit während des Wahlkampfs im Oktober 2004 die Probleme eines investigativen Journalisten zeigt, der angebliche Beweise für Verbrechen der Militärdiktatur angeboten bekommt. Zwischen jenen, die ihm gegen Geld Beweise liefern sollen und ihm selbst entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, das freilich wenig Neues an Tageslicht bringt.

Der Spezialpreis der Jury ging an die kolumbianisch-US-amerikanische Produktion "Manos Sucias" ("Schmutzige Hände"), in dem Josef Wladyka den Drogenhandel in Kolumbien aus der Sicht kleiner Dealer behandelt. Unter Lebensgefahr verladen sie Kokain und fahren über verschlungene Pfade mit ihren Booten durch paradiesische Landschaften, die sich in eine Hölle verwandeln können. Es gelingt dem Film, dass man sich mit diesen Menschen identifizieren kann, die diese „Verbrechen“ nur begehen, um mit ihren Familien zu überleben.

Der Silberne Columbus für die beste Regie ging nach Brasilien. Daniel Ribeiro erzählt in "Hoje Eu Quero Voltar Sozinho" ("The Way He Looks") von einem blinden Jugendlichen, der seine Homosexualität entdeckt, sich mit Hilfe einer Klassenkameradin von der überfürsorglichen Mutter zu lösen und seine sexuelle Orientierung auszuleben lernt.

Der Silberne Columbus für die beste Schauspielerin ging an Mabel Pizarro aus Kolumbien für die präzise Darstellung in "Ruido Rosa" ("Rosa Rauschen"). Unter der Regie von Roberto Flores entwickelt sich eine klassische Liebesgeschichte zwischen zwei an sich bedeutungslosen Menschen, die trotz ihres Alters noch nie eine richtige Beziehung hatten und noch nie etwas Besonderes erlebt haben: Die Hotelangestellte Carmen bringt ihren kaputten Radiorekorder zu Luis, einem Radio- und Fernsehmechaniker. Spannung kommt auf, weil Carmen eifrig englisch lernt, um in die USA ausreisen zu können, während sich die Beziehung zwischen den beiden Schüchternen doch zu Intimitäten entwickelt. Was kommt zuerst? Die Green Card oder die erste große Liebe?

Der Silberne Columbus für den besten Darsteller und der Publikumspreis gingen an Óscar Jaenada für seine Darstellung in "Cantinflas" (Mexiko). Dieses Biopic kreist um das Leben des bekannten mexikanischen Komikers Mario Moreno, der in seiner Rolle als Cantinflas zu einer Ikone des mexikanischen Kinos wurde. Ähnlich wie Chaplin ist er ein kleiner Mann mit zerrissener und ausgefallener Kleidung, der aus der absoluten Armut entwuchs und es zur Weltspitze an Ruhm und Ehre schaffte.

Mit dem Silbernen Columbus für das beste Drehbuch wurde Álvaro Brechners "Kaplan" (Spanien, Uruguay, Deutschland) ausgezeichnet. Auch hier versucht ein Pensionist, der es zu nichts Bedeutendem im Leben gebracht hat, späte Aufmerksamkeit zu erregen. Jacobo Kaplan glaubt im Besitzer einer Strandbude einen nach Lateinamerika geflüchteten Nazi-Kriegsverbrecher entdeckt zu haben. Dieser nährt seine Vermutungen solange, bis Kaplan einen alten Polizisten einbezieht, der ihn schließlich der Justiz übergibt. Der Reiz des Streifens liegt in seinem komödiantischen Unterton, der in Kontrast zum faden Leben der Protagonisten steht.

Schließlich ging der Silberne Columbus für die beste Kamera an Timo Salminen für "Jauja". Die Koproduktion von Argentinien, Mexiko, USA, Holland, Dänemark, Deutschland und Frankreich unter der Regie des Argentiniers Lisandro Alonso wurde bereits in Cannes mit dem Firpesci-Preis in der Reihe "Un certain regard" ausgezeichnet und erzählt von einere Expedition auf der Suche nach einem mythologischen Land namens Jauja, das die Alten als Land des Überflusses und des Glücks beschrieben .

Aus Kuba gab es auch ein Lebenszeichen: "Boccaccerias Habanera" ("Boccaccio in Havanna"). Arturo Sotto erzählt vom Treiben in der Wohnung eines Schriftstellers, in der sich unterschiedliche, für Kuba typische Charaktere treffen, die er bezahlt, damit sie ihm Geschichten erzählen. Der kleine Film ist voller Leidenschaften und Musik, intelligent und kurzweilig.

Erwähnenswert ist auch "Casa Grande" ("Das große Haus") von Fellipe Barbosa (Brasilien): Jean ist ein Jugendlicher in Rio, der versucht der Überfürsorglichkeit seiner Eltern, die scheinbar reich, in Wirklichkeit aber pleite sind, zu entkommen. Als der Fahrer verschwindet, hat Jean die langersehnte Chance zum ersten Mal in die normale Welt zu entkommen. Dort lernt er Luiza, eine Studentin der öffentlichen Uni kennen, welche ihm die Augen öffnet. Barbosa zeigt die sozialen Gegensätze Brasiliens auf, und zwar nicht nur die ökonomischen, sondern auch jene der ethnischen Herkunft, die sich oft in einer nur ein wenig helleren oder dunkleren Hautfarbe ausdrückt.

"Feriado" ("In Ferien") von Diego Araujo (Ecuador, Argentinien) überzeugte nur wenig, denn Araujo geht zu brachial mit zu vielen Themen wie Homosexualität, Klassenkampf, Rassismus, Gewalt und Machismus um. Aus der Sicht eines Jugendlichen wird ein Urlaub auf die Ranch des Onkels gezeigt, der sich dort als Banker vor einem Korruptionsskandal versteckt, während er von einem geheimnisvollen Jungen verführt wird.
Norbert Fink (deutsche Zusammenfassung), Sarita Maceira Rodriguez und Ray Diaz Cazorla


Iberoamerikanisches Filmfestival Huelva 2014
14. bis 23. November 2014