Belanglosigkeiten und kleine Perlen

28. September 2007
Bildteil

Während sich das spanische Kino beim 55. Filmfestival von San Sebastian – zumindest in den beiden Wettbewerben – nicht gerade von der stärksten Seite zeigt, vermögen zwei einfache kleine, aber genaue Filme aus Argentinien und den USA schon eher zu überzeugen.

In einen Topf werfen kann man Gracia Querejetas "Siete mesas de billar francés" und "La torre de Suso" von Tom Fernández. Den einen hat die spanische Abteilung des US-Majors Universal, den andere die von Warner produziert – und genau so sehen die beiden Filme auch aus: Hausbacken, ohne jeden Esprit und Überraschung inszenierte, zwischen Drama und Komödie pendelnde, nach Schema X gefertigte Retortenprodukte. Fast austauschbar ist folglich auch die Handlung: Im einen Fall geht"s um einen Billardsalon, den die Tochter des soeben verstorbenen Besitzers mit Hilfe einiger Freunde wieder in Schwung bringen will, im anderen um den Bau eines Holzturmes, der vier Männer um die 40 nach dem Drogentod ihres Freundes wieder zueinander und zu sich selbst finden lässt. In beiden Fällen gibt es selbstverständlich Beziehungsprobleme, die behoben werden müssen und droht das Unterfangen kurz vor dem erfolgreichen Abschluss noch zu scheitern. Doch dann lernen die Protagonisten doch sich der Vergangenheit zu stellen und die Filme steuern auf ein rundum glückliches Ende zu.

Alle Geschichten mögen inzwischen längst erzählt sein, doch einfallsreiche Umsetzung darf man sich schon noch wünschen. Diese beiden spanischen Filme werden aber weder in ein Milieu eingebettet, das Atmosphäre aufkommen liesse, noch wird den Schauspielern Raum gelassen ihre Figuren zu entwickeln. Die Bilder haben einzig die Funktion die Geschichte zu transportieren, die im einfachsten Schuss-Gegenschuss-Verfahren erzählt wird. – So sieht nicht Kino von heute aus, sondern höchstens die uniformen Fernsehfilme des TV-Hauptabendprogramms.

Dass mit ganz einfachen Mitteln wesentlich mehr erreicht werden kann, beweisen in San Sebastian Wayne Wang und Anahí Berneri. Die Argentinierin Berneri beschränkt sich in ihrem zweiten Spielfilm "Encarnación" darauf eine knapp 50-jährige Schauspielerin durch ihren Alltag zu begleiten. Erni Levier kann sich mit ihrem Altern und dem verblassenden Ruhm nicht abfinden, "googelt" ihren Namen, dreht statt Filmen Werbeclips für Badeanzüge, denkt an eine Schönheitsoperation und kleidet sich mit Minirock oder Hotpants wie eine 20jährige. Die Kamera freilich, die der Protagonistin hautnah folgt, legt das Altern schonungslos offen, macht Falten und Krähenfüsse sichtbar. Gerade in seiner Einfachheit, in der totalen Fokussierung auf die Schauspielerin und der Beschränkung auf Alltägliches entwickelt sich "Encarnación" nicht nur zur Reflexion über das Altern und űber die Notwendigkeit sich in die neue Rolle zu fügen, sondern bietet gleichzeitig dem früheren argentinischen Sexsymbol Silvia Pérez, die hier zu ihrem Alter stehen muss, die grosse Filmrolle, von der die Hauptfigur des Filmes, vergeblich träumt.

Auf Dramatisierung verzichtet auch Wayne Wang in "A Thousand Years of Good Prayers": Um die in den USA lebende Tochter nach ihrer Scheidung zu unterstützen, reist der verwitwete Vater aus China an. Nicht mächtig des Englischen, bleibt er ein Fremder und kann nur zu einer etwa gleichaltrigen Exil-Iranerin, mit der er mittels Zeichensprache und Wortbrocken kommunziert, eine Beziehung aufbauen. Doch dann wird diese in ein Altersheim abgeschoben und auch die Spannungen in der Beziehung zur Tochter spitzen sich zu, da der alte Mann ständig in ihr Leben eingreift und sie bevormundet.

Wirklich ausgelotet wird das Thema des kulturellen Gegensatzes und des Generationenkonfliktes nicht, doch im ruhigen Erzählrhythmus und mit langen Einstellungen, lässt Wang sowohl den Schauspielern Raum ihre Figuren zu modellieren als auch dem Zuschauer Zeit sich in diese einzufühlen. Mit viel Empathie beschwört dieser sehr menschliche, von warmherzigem Humor durchzogene Film so stimmungsvoll Momente der Einsamkeit, des Fremdseins und der Sprachlosigkeit, zeigt aber auch Möglichkeiten der Überwindung.