The Beauty

28. September 2011 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Es heißt, sie sei mit Purcell und Bach aufgewachsen. Also, sollte das wahr sein, hätte ich dieses Mittelchen auch gerne, denn die dreihundertfünfzig Jährchen sieht man der Dame nun wirklich nicht an, sie sieht bemerkenswert gut aus. Und genau dies wird auch immer wieder gerne bemerkt. Und dabei sollte es doch in erster Linie ihre Stimme sein, die zu bemerken es gilt, denn die Lady ist schließlich eine Sopranistin, die in diesem Sommer ein neues Album veröffentlichte mit dem Titel "The Beauty of the Baroque". Und zack, schon wieder geht es um Äußerlichkeiten!

Wer ist sie? Nun, ihr Name ist Danielle de Niese, geboren wurde sie 1979 in Australien, sie ist jedoch Amerikanerin. Danielle de Niese hatte bereits als Kind eine auffallend schöne Stimme und wollte nur Eines: einfach immer nur singen. Erst kürzlich sagte sie in einem Interview, Musik sei ihre Nahrung. Ach, wie beneidenswert schlank sie doch trotzdem blieb. Disziplin, Energie, ja, und Schönheit wurden ihr bereits in die Wiege gelegt. Und das, was da neben ihr in der Wiege lag, ließ sie nicht nutzlos liegen!

Mit zwölf war sie das "L.A. Kid of the week" in der gleichnamigen TV-Show. Als sie sich die Aufzeichnungen nachträglich ansah, befand sie ihre seltsame Frisur sowie ihr altkluges Geschwätz für schrecklich. Später übernahm sie die Moderation der Show selbst. In einem Interview im Jahre 2008 erwähnte sie, es habe ihr gut gefallen, sie habe gar keine Tafeln – ich vermute, die zum Ablesen des Textes – gebraucht.

Kennen Sie Hannibal? Dieser Film erschien 2001 und Anthony Hopkins spielt darin die Rolle des Serienmörders Hannibal Lecter, der ohne Skrupel und reihenweise Menschen ermordet, bis auf Danielle de Niese! Er brachte es einfach nicht über sein rauhes Herz, so sehr bezauberte sie ihn durch ihren Gesang oder was auch immer... Es mag sein, daß Sie mir nun Stutenbissigkeit unterstellen, doch nein, dies ist es nicht. Besonders im Falle von Danielle de Niese finde ich es lediglich sehr bedauerlich, daß sie mehr Zuschauer als Zuhörer anspricht, sich und andere von ihrem attraktiven Äußeren zu sehr ablenkt. Schließlich geht es doch um Musik, oder etwa nicht?

Und Danielle de Niese hat eine wirklich schöne, glockenklare Sopranstimme. Begleitet von The English Concert, unter der Leitung von Harry Bicket, präsentiert die Sängerin ihre ganz eigene, englische Interpretation barocker Arien. Auf dem bei Decca (Universal-Music) erschienenen Album "Beauty of the Baroque", artikuliert und singt sie sauber, nahezu perfekt. Danielle de Niese hat nichts am Hut mit der Frechheit des Barock. Muß sie auch nicht, denn die Partituren jener Zeit lassen genügend Raum für Eigenes. Und de Niese ist nun mal sauber, ordentlich, glatt und rein. Möglicherweise befürchtet sie jedoch zudem, ein allzu wildes und ausgelassenes Singen könne ihrem hübschem Äußeren schaden. Diesen Eindruck hat man – leider - sieht man sie auf der Bühne. Als sei sie während des Singens stets darauf bedacht, hübsch auszusehen.

Musik ist eine sehr persönliche Angelegenheit, emotional und abhängig von Wesen, Charakter, Wünschen, Träumen und Vorstellungen. Danielle de Niese schwelgt in ihren Arien, singt brav und anständig, koloriert nach ihrer Façon, die vielen Klassikliebhabern gefällt. Sie sagt, sie liebt die Harmonie, in ihrer reinsten Gestalt. Ich liebe die freche Seele der barocken Musik, und finde eben genau diese nicht bei der "Beauty of the Baroque". Auch bei Arien wie "Ombra mai fu" vermisse ich dieses ganz tiefe Berührtsein, diese Wärme, Hingabe und Herzlichkeit. Aber wie gesagt, Musik ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Der Erfolg von de Niese jedenfalls spricht für sich und beweist: es gehört mehr als nur gutes Aussehen dazu, sich auf den großen Bühnen dieser Welt zu bewegen. Und noch viel mehr gehört dazu, dies auf Dauer zu tun. Warten wir’s ab! Man wird sehen – und hören.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt