Back in Berlin

7. Februar 2008
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Wer einmal bei der Berlinale war, den holen wir wieder, scheint das Motto von Dieter Kosslick für die 58. Auflage des Berliner Filmfestivals (7. – 17.2.) gewesen zu sein. Denn Paul Thomas Anderson, Isabel Coixet, Yoji Yamada, Amos Kollek und Robert Guédiguian sind nur einige der Regisseure, die nicht zum ersten Mal im Wettbewerb um den Goldenen Bären vertreten sind. Eröffnet wird aber mit Martin Scorseses Rolling Stones-Doku "Shine a Light".

Wie schwer sich Berlin neben Cannes tut, zeigte sich in den letzten Wochen. Denn obwohl das deutsche Festival vor der Tür steht, war Cannes, in dem erst im Mai die Stars auflaufen, mit der Meldung, dass Sean Penn die Jury leiten werde, fast stärker in den Medien präsent als die Berlinale. Penn ist eben ein unangepasster Hollywood-Star und zudem mit seinem Film "Into the Wild" im Gespräch und demnächst in den Kinos, Constantin Costa-Gavras, der bei der Berlinale der Jury vorsitzen wird, ein schon fast vergessener Meister des Politthrillers ("Z"; "Missing"), dessen große Zeit Jahrzehnte zurückliegt.

Ein Clou gelang Berlinale-Leiter Dieter Kosslick dann aber doch noch mit der Programmierung des Eröffnungsfilms. Läuft zu diesem Anlass in der Regel ein braver Ausstattungsfilm oder ein harmloses Drama, startet die Berlinale erstmals mit einem Dokumentarfilm – und fährt dazu gleich auch noch mit großen Namen auf. Die Rolling Stones und Martin Scorsese sollen zur Premiere des Konzertfilms "Shine a Light" nach Berlin kommen. Und einiges ist von diesem Film sicher zu erwarten, spielt doch Musik immer eine große Rolle in den Filmen von Scorsese und schuf der New Yorker doch schon vor 30 Jahren mit "The Last Waltz" ("The Band") einen Klassiker des Konzertfilms.

Wie Scorsese schon mehrmals mit Filmen bei der Berlinale vertreten war – zuletzt 2003 mit "Gangs of New York" – so sind auch zahlreiche Teilnehmer des Wettbewerbs in Berlin gute alte Bekannte. Paul Thomas Anderson, der mit seinem furiosen Episodenfilm "Magnolia" 2000 den Goldenen Bären gewann, bringt mit "There Will Be Blood" ein Epos über einen amerikanischen Öl-Baron an die Spree, das nicht nur zu den Oscar-Favoriten gezählt wird, sondern auch schon mit Orson Welles´ "Citizen Kane" und George Stevens´ "Giants" verglichen wird. Spielt "There Will Be Blood" zu Beginn des 20. Jahrhunderts, so beleuchtet der Dokumentarfilmer Errol Morris in "S.O.P. Standard Operating Procedure" die Hintergründe von Bushs so genanntem "Antiterrorkrieg".

Berlinale-Erfahrung haben auch Isabel Coixet ("My Life Without Me"), die mit "Elegy" eine Adaption von Philip Roths Roman "Das sterbende Tier" vorlegt, und der Japaner Yoji Yamada, der nach "Samurai in der Dämmerung" (2003) und "Das verborgene Schwert" (2005) mit "Kabei – Our Mother" zum dritten Mal im Wettbewerb vertreten ist. Für Action sollte der Forum-Stammgast Johnny To mit "Sparrow" sorgen, während der Chinese Wang Xiaoshuai, der 2001 mit "Beijing Bicycle" den Silbernen Löwen gewann in "Zou You" ("In Love We Trust") von den Bemühungen einer Mutter ihr krebskrankes Kind zu retten erzählt. Eine Geschichte von Jugendfreundschaft und Verbrechen in Marseille erzählt der Franzose Robert Guédiguian in "Lady Jane" und für Sozialrealistisches dürfte der Brite Mike Leigh mit "Happy-Go-Lucky" sorgen. – Auch diese beiden Regisseure haben schon Berlinale-Erfahrung.

Während der Pole Andrzej Wajda, der bereits dreimal im Berlinale-Wettbewerb vertreten und 2006 mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde und sich in dem außer Konkurrenz laufenden "Katyn" mit dem Massaker an tausenden polnischen Kriegsgefangenen durch den russischen Geheimdienst im Jahr 1940 auseinandersetzt, ein echter Altmeister ist, ist der Mexikaner Fernando Eimbcke ein Newcomer. Mit seinem zweiten Spielfilm "Lake Tahoe", der von einem 16-jährigen erzählt, der den plötzlichen Tod seines Vaters verarbeiten muss, ist er ebenso im Wettbewerb vertreten wie der Brasilianer José Padilha, der in seinem in Brasilien sensationell erfolgreichen Thriller "Tropa de Elite" den Alltag einer brutalen und von Korruption durchsetzten Spezialeinheit der Militärpolizei zeigt.

Mit großen Namen klotzen wie Cannes oder Venedig kann Berlin heuer insgesamt (noch) weniger als in den letzten Jahren. Außer Scorsese und Anderson findet sich im Programm kaum ein Regisseur, der zur absoluten Elite des aktuellen Kinos zu zählen ist, und der Umstand, dass unter den zuletzt nominierten acht Filmen sich vier Debüts und ein zweiter Spielfilm befinden, vermittelt den Eindruck, dass man hier teilweise auf Notlösungen zurückgreifen musste um das Programm zu komplettieren. Andererseits lassen diese Newcomer wiederum auf Überraschungen und Entdeckungen hoffen und freuen darf man sich immerhin auch auf die Weltpremiere von Majid Majidis ("Die Farben des Paradieses") "The Song of Sparrows" oder die Internationale Premiere von Michel Gondrys, seit "The Science of Sleep" ebenfalls Berlinale erfahren, "Be Kind Rewind", mit dem die Berlinale beendet wird.

Gastgeberland Deutschland ist heuer nicht nur im Wettbewerb (Doris Dörries "Kirschblüten – Hanami" und Luigi Falornis Bestseller-Adaption "Feuerherz"), sondern auch in den Sektionen "Panorama" und "Internationales Forum des Jungen Films" eher schwach vertreten. Bunt gestreut ist die Palette im "Panorama", in dem sich neben bekannten Regisseuren wie dem Israeli Eran Riklis ("Lemon Tree"), dem Österreicher Götz Spielmann ("Revanche") und dem Dänen Soren Kragh-Jacobsen ("Det som ingen ved – What No One Knows") vorwiegend unbekanntere Regisseure finden. Mit größter Spannung wird in dieser Sparte wohl "Transsiberian" erwartet, der neue Film von Brad Anderson, dem zuletzt mit "The Mashinist" einer der aufregendsten Thriller der letzten Jahre gelang, erwartet.

Plattform für junge Regisseure und innovative Formen bietet das "Internationale Forum des Jungen Films", in dessen Rahmen 36 Filme, darunter 16 Regiedebüts gezeigt werden. Neben dem hierzulande noch zu entdeckenden Japaner Wakamatsu Koji, dem anlässlich der internationalen Premiere seines dreistündigen Spielfilms über die japanische Terrorgruppe "United Red Army" ein Tribute mit drei Filmen gewidmet ist, sind die renommiertesten Regisseure in diese Sparte der Franzose Jacques Doillon ("Le premier venu"), der Experimentalfilmer Heinz Emigholz ("Loos ornamental") und der libanesischstämmige Schwede Josef Fares ("Leo").

Abgerundet wird das vielfältige Programm durch die Kinder- und Jugendfilmsektion "Generation", die "Perspektive Deutsches Kino" und eine umfassende Retrospektive zu Luis Bunuel, sowie zahlreiche Sonderprogramme wie ein "Berlinale Special" eine Hommage an Francesco Rosi oder das "Kulinarische Kino", bei dem im Anschluss an Filmvorführungen Abendessen und Diskussionsveranstaltungen stattfinden. – An Quantität fehlt es also nicht – bleibt nur noch zu hoffen, dass auch die Qualität stimmt.