Autorenkino dominiert bei der Berlinale

5. Februar 2009
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Nach dem Aufmarsch der Superstars von den Stones bis Madonna im letzten Jahr scheinen heuer eher die Filmautoren die Berlinale (5. – 15.2. 2009) zu dominieren. Große Namen aus den USA fehlen weitgehend, dafür gibt es neue Filme unter anderem von Theo Angelopoulos, Stephen Frears, Francois Ozon und Hans Christian Schmid.

Eröffnet wird wie beinahe jedes Filmfestival mit einem Film, der den Spagat zwischen Kommerz und Kunst schaffen soll. Nach "Heaven" im Jahr 2002 darf Tom Tykwer schon zum zweiten Mal mit einem Film das Berliner Filmfestival eröffnen. Mit "The International" präsentiert der spätestens seit seiner Süskind-Verfilmung "Das Parfüm" selbst international gewordene Regisseur an der Spree einen mit Clive Owen und Naomi Watts hochkarätig besetzten Action-Thriller, in dem ein Interpol-Agent in einem Banken-Korruptionsfall ermittelt.

Massentauglich dürfte auch Stephen Daldrys außer Konkurrenz laufende Verfilmung von Bernhard Schlinks Roman "Der Vorleser" ("The Reader" sein, während von Theo Angelopoulos "The Dust of Time" (ebenfalls außer Konkurrenz) eher elegisches Kunstkino, das in ebenso atemberaubenden wie endlos langen Plansequenzen schwelgt, zu erwarten ist. Spezialistin für hochpoetisches Kino ist auch die Britin Sally Potter, die mit "Rage" im Wettbewerb vertreten ist.

Wenig Überzeugendes hat man in den letzten Jahren vom Chinesen Chen Kaige gesehen, sodass man nur hoffen kann, dass er sich mit "Mei Lanfang - Forever Enthralled" der Form von "Lebewohl, meine Konkubine" zumindest wieder nähert. Still geworden ist es in den letzten Jahren auch um den Schweden Lukas Moodysson, der "Mammoth" nach Berlin bringt.

Während zur Liste der Altmeister neben dem Polen Andrzej Wajda ("Tatarak – Sweet Rush") und Constantin Costa-Gavras ("Eden is West") auch der Franzose Bertrand Tavernier ("In the Electric Mist") und wohl auch schon Stephen Frears, der mit "Cheri" die Verfilmung einer in den 1920er Jahren spielende Liebesgeschichte der französischen Schriftstellerin Colette vorstellt, zu zählen sind, gehören zu den Regisseurin, die sich erst im letzten Jahrzehnt einen Namen gemacht haben Francois Ozon, Annette K. Olesen und Hans Christian Schmid. Während Schmid in seinem Politdrama "Sturm" von einer Kroatin erzählt, die nach 10 Jahren einen Kriegsverbrecher wieder erkennt und vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag aussagen soll, soll es sich bei "Ricky" um einen Genremix handeln, den Ozon selbst als Mischung aus Thriller, Horror, Science Fiction, Komödie und Märchen beschreibt.

Gespannt sein darf man freilich auch darauf, was die 1976 geborene Deutsche Maren Ade mit "Alle Anderen" auf ihr viel beachtetes Spielfilmdebüt "Der Wald vor lauter Bäumen" und die Peruanerin Claudia Llosa mit "La teta asustada – The Milk of Sorrow" auf ihr Debüt "Madeinusa" folgen lassen.

An viel versprechenden Namen fehlt es auch im "Panorama", das die Parallelschiene zum Hauptwettbewerb bildet, nicht: Der vorjährige Berlinale-Sieger José Padilha ("Tropa de elite") widmet sich in seinem Dokumentarfilm "Garapa" der Frage des Welthungers, während Chema Rodriguez in "Coyote" die Arbeit von Schleppern in Südamerika zeigt. Österreich ist in dieser Programmschiene mit zwei Literaturverfilmungen vertreten. Wolfgang Murnberger zeigt mit "Der Knochenmann" seine nach "Komm, süßer Tod" und "Silentium" dritte Adaption eines Krimis von Wolf Haas, während von Michael Glawogger mit "Das Vaterspiel" seine Verfilmung des Romans von Josef Haslinger zu sehen sein wird.

Politisches zeigen auch Michael Winterbottom und Philippe Lioret. Während der Brite in "The Shock Doctrine" zusammen mit Mat Whitecross in dokumentarischer Form basierend auf dem gleichnamigen Buch von Naomi Klein den ungebrochenen Trend zur Privatisierung von Gesellschaftsvermögen analysiert, zeigt der Franzose Lioret in seinem Spielfilm "Welcome" die tragische Lage, in der sich illegale Flüchtlinge aus dem Irak befinden, die von Frankreich aus nach England gelangen wollen. In einen Politthriller mündet schließlich der nach "XXY" zweite Film von Lucia Puenzo. In "El nino pez" erzählt die Argentinierin von einer Liebe zweier Frauen, die Abgründe aufbrechen lässt, die über die persönliche Befindlichkeit hinausgehen. Um die Liebe geht es auch im neuen Film von Catherine Breillat, die in "La Barbe Bleue" den Mythos Blaubart zu erforschen versucht.

Zum 30-Jahr-Jubiläum des "Panorama" gibt es auch ein Sonderprogramm, bei dem vor allem der Aufeinanderprall von Gus Van Sants neuem Film "Milk" und Robert Epsteins 1984 entstandenem Dokumentarfilm "The Times of Harvey Milk" interessant erscheint, da doch beide Film den schwulen Stadtabgeordneten von San Francisco porträtieren, der ein Jahr nach seiner Wahl 1977 erschossen wurde.

Ort des experimentierfreudigen Kinos soll bei der Berlinale wie gewohnt das Forum sein, in dem vor allem das südkoreanische Kino stark vertreten zu sein scheint. Werden hier eine Fülle sicher oft auch irritierender oder auch nervender Debüts zu sehen sein, so kann man bei der Retrospektive auf Nummer sicher gehen.

In Zeiten, in denen allerorts von Digitalisierung des Kinos die Rede ist, feiert die Berlinale unter dem Motto "Bigger than Life" den 70mm-Film und damit auch die großen Kinopaläste der 1950er und 1960er Jahre, in denen die Schauwerte von Produktionen wie "2001", "Ben Hur", Lawrence of Arabia" oder auch des russischen "Voina i mir" erst richtig zur Geltung kamen und kommen.