Autorenfilme und Mainstream beim 61. Filmfestival von Cannes

14. Mai 2008
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Wie nicht anders zu erwarten glänzt das 61. Filmfestival von Cannes (14.-25.5.2008) durch ein großes Aufgebot an Starregisseuren, daneben werden Newcomer eingestreut und die Amerikaner nützen die Croisette als Startrampe für Blockbuster wie Steven Spielbergs "Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull" oder den Animationsfilm "Kung Fu Panda". Zu dem Ende April präsentierten Programm kamen inzwischen freilich noch einige Filme dazu.

Nach dem allgemein als großartig eingestuften letztjährigen Jahrgang ist die Latte für das heurige Filmfestival von Cannes hoch gelegt. Andererseits ist man nach dem nicht gerade berauschenden Wettbewerb der Berlinale auch schon wieder bescheiden geworden. Aber große Namen wecken nun auch einmal hohe Erwartungen und wie gewohnt gibt sich Cannes nicht mit einzelnen Starregisseuren zufrieden, sondern ist es gewohnt damit geradezu zu klotzen.

Dafür sorgen auch die Filme und Regisseure, die erst in den letzten Wochen noch dazukamen. Eröffnet wird so das Festival mit Fernando Meirelles mit Stars gespickter Verfilmung von José Saramagos Roman "Die Stadt der Blinden" ("Blindness"). Und im Wettbewerb kamen mit Laurent Cantets "Entre les murs" und James Grays "Two Lovers" zwei weitere Konkurrenten um die Goldene Palme dazu. Sowohl Cantet als auch Gray sind schwer einzuschätzen, da beide mit ihren letzten Filmen, der Franzose mit "Vers le sud" und der Amerikaner mit "We Own the Night" die durch ihre früheren Filme gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnten. - Aber neuer Film, neue Chance - und dass sie zu Großem fähig sind, bewiesen sie ja schon mit "L´emploi du temps" bzw. "Little Odessa".

Neben den zweimaligen belgischen Cannes-Siegern Jean-Pierre und Luc Dardenne, die mit "La silence of Lorna" eine dritte Palme erobern wollen, dem Türken Nuri Bilge Ceylan, der "Daydreams" an die Cote d´Azur bringt, verfügen auch Wim Wenders und Atom Egoyan über ausgiebige Cannes-Erfahrung. Wenders wurde mit seinem romantischen Thriller "The Palermo Shooting", der Kanadier Egoyan mit dem Drama "Adoration" eingeladen. Nicht fehlen dürfen im Wettbewerb die Franzosen, die mit Philippe Garrels "La frontiere de l´aube", Arnaud Desplechins "Un conte de noel" und einem noch nicht genannten Film dreifach vertreten sind.

Gewohnt stark ist auch die Präsenz der Amerikaner. Neben Clint Eastwoods in den 1920er Jahren spielendem Mystery-Thriller "Changeling", dem Debüt des Drehbuchautoren Charlie Kaufman ("Synechdoche, New York") ist auch Steven Soderberghs offiziell für Spanien startendes über vierstündiges Doppelprojekt "Che", das sich aus den Filmen "The Argentine" und "Guerrilla" zusammensetzt und sich noch im Endstadium der Postproduktion befinden soll, eingeladen.

Mit einem Film über Che Guevara, nämlich "Motorcycle Diaries" war auch schon der Brasilianer Walter Salles in Cannes, der in "Linha de passe" von den Fußballträumen von vier Brüdern in Sao Paolo erzählt. Überhaupt sind die Lateinamerikaner an der Cote d´Azur heuer stark vertreten, dürfen sie neben Salles doch auch noch die mit ihren innovativen Filmen immer wieder irritierende Argentinierin Lucretia Martel ("La mujer sin cabeza") und Martels Landsmann Pablo Trapero ("Leonera") ins Rennen um die Palmen schicken.

Überraschend schwach präsent sind dagegen die Asiaten. Drei Japaner wurden für Cannes gehandelt, doch keiner findet sich nun im Programm. China ist mit Jia Zhangkes "24 City" vertreten und gespannt sein darf man auf den Philippino Brillante Mendoza, der "Serbis" zeigt, und auf „My Magic“, den neuen Film des Singapurers Eric Khoo, der zuletzt mit "Be With Me" begeisterte.

Während das völlige Fehlen Afrikas im Wettbewerb im Grunde nicht überrascht, erstaunt die Abwesenheit Großbritanniens und Skandinaviens schon eher. Auch Osteuropa ist mit dem Ungarn Kornel Mundurczo, der "Delta" präsentiert, zwar zahlenmäßig schwach, aber mit einem interessanten Regisseur vertreten, während die Einladung des Italieners Matteo Garrone mit "Gomorra" angesichts des Desasters mit seinem letzten Film "Primo amore" bei der Berlinale 2004 eher ein Zugeständnis an die einst blühende Filmnation Italien sein dürfte. Mit Paolo Sorrentino "Il divo" ist das Land Berlusconis noch ein zweites Mal im Wettbewerb vertreten. – Mehr mit Skepsis als mit großen Erwartungen besucht man in der Regel bei Filmfestivals die italienischen Filmen, aber hoffen, dass Garrone und Sorrentino Presse und Publikum eines besseren belehren und für einen Höhepunkt des 61. Filmfestivals von Cannes sorgen darf man immerhin.

Gut möglich aber auch, dass sich die Glanzlichter sowieso außerhalb des Wettbewerbs finden. Von Woody Allen, der sein spanisches Werk "Vicki, Cristina, Barcelona" zeigt, ist das weniger zu erwarten, auch wenn der New Yorker vor drei Jahren mit "Match Point" nochmals überraschte. Mit Spannung erwartet wird da schon eher der als Special Screening gezeigte "Of Time and the City", mit dem der Brite Terrence Davies seinen ersten Film seit "House of Mirth" – und das ist immerhin schon acht Jahre her - vorlegt.