Auteur kontra Réalisateur

3. September 2007 Walter Gasperi
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In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten die Kritiker der französischen Filmzeitschrift "Cahiers du Cinéma" die "politique des auteurs". Den Regisseuren mit einer persönlichen Handschrift, so genannten "auteurs", stellten sie die "réalisateurs" gegenüber. Geprägt hat diese Unterscheidung die Filmgeschichtsschreibung und auch den heutigen Blick auf das Kino.

Den Begriff "Autorenfilm" gab es in Deutschland schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Verstanden wurde darunter aber etwas ganz anderes als heute. Um den noch als minderwertig geltenden Film aufzuwerten, sollten damals renommierte Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler oder Hugo von Hofmannsthal als Drehbuchautoren gewonnen werden.

Mit diesem literarischen Ansatz hat die "politique des auteurs" der Franzosen, die ein Jahrzehnt später von den Begründern des "Jungen Deutschen Films" übernommen wurde, nichts gemein. Nicht ums Schreiben geht es beim Autorenfilm, sondern um die individuelle Handschrift und den subjektiven Blick auf Welt, durch die sich ein Film auszeichnet. Makelloser sind vielfach die Filme der "réalisateurs", doch die Autorenfilme berühren, weil das persönliche Engagement und die Lust am Filmemachen stets spürbar sind.

Nicht nur Europäer wie Rossellini, Bunuel, Bergman, Renoir und Bresson waren für die jungen Kritiker Rohmer, Rivette, Truffaut und Godard, die wenige Jahre später später mit ihren Filmen und der "Nouvelle Vague" ihre Theorie selbst in die Tat umsetzten, große Filmautoren, sondern auch neben Hitchcock, Ford und Hawks damals kaum geschätzte Amerikaner wie Otto Preminger, Nicholas Ray, Anthony Mann, Robert Aldrich oder Sam Fuller feierten sie als große Filmemacher.

Gehalten hat sich dieser Gegensatz von Autorenfilm und Produzentenkino bis heute. Da der Autorenfilmer danach strebt seine eigenen filmischen Visionen umzusetzen, sind seine Filme tendenziell kleiner, sprechen in ihrem subjektiven Gestus auch ein kleineres Publikum an, während dem "réalisateur", der sorgfältig ein vorgegebenes Drehbuch bebildert, vom Produzenten auch ein größeres Budget anvertraut wird.

Typischer "réalisateur" ist im Kino von Heute Ron Howard mit "A Beautiful Mind", "The Da Vinci Code - Sacrileg" und "Cinderella Man - Das Comeback", während Martin Scorsese auch in seine Großproduktionen noch seine privaten Obsessionen verpackt. Scorsese ist neben Stanley Kubrick wohl auch einer der wenigen Regisseure, denen es gelungen ist, sich von der Industrie zwar finanzieren, aber nicht vereinnahmen zu lassen, und die mit großen Budgets ihre ganz privaten Projekte realisierten oder immer noch realisieren.

Oft lassen sich freilich auch Regisseure, die als Autoren begannen, zu Großprojekten bewegen, bei denen sie auf Druck der Produzenten auf jede persönliche Handschrift verzichten müssen. Mehr zu Filmen des Produzenten Bernd Eichinger als zu Filmen von Tom Tykwer beziehungsweise Oliver Hirschbiegel sind so die Süskind-Verfilmung "Das Parfüm" und "Der Untergang" geworden. – Ausstattungskino, das jede persönliche Nuance und eigene Position vermissen lässt. Und auch in Oskar Roehlers "Elementarteilchen" ist nur noch wenig von der Radikalität der frühen Filme des Deutschen ("Die Unberührbare", "Der alte Affe Angst") zu spüren.

Die entscheidenden ästhetischen Innovationsschübe erhielt und erhält das Kino aber fraglos immer von den unbändigen Autoren, von den Regisseuren, die nur sich selbst verpflichtet sind und mit ihrem radikal subjektiven Blick auf die Menschen und die Welt, mit ihrer von persönlichem Empfinden und Erleben angetriebenen Inszenierung berühren und erschüttern, weil hier authentische Gefühle herüberkommen, die auch den Zuschauer ansprechen können, wenn er sich öffnet und den Film – und somit auch den Regisseur – an sich herankommen lässt.