Aus alt mach neu: Remakes

11. Juli 2016 Walter Gasperi
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"Was einmal ein Erfolg war, schlägt in neuer Form auch ein zweites Mal ein", scheint spätestens seit den 1980er Jahren ein Motto speziell in Hollywood zu sein. Vorwiegend aus kommerziellen Gründen ist man in der Filmmetropole an Neuverfilmungen interessiert und vielfach kann das Remake künstlerisch mit dem Original nicht mithalten. Doch es gibt auch Ausnahmen. Das Filmpodium Zürich stellt in einer Filmreihe Klassiker und ihre Remakes einander gegenüber.

Nicht nur das japanische Monster "Godzilla" und Paul Verhoevens "Total Recall" wurden in den letzten Jahren neu verfilmt, sondern Hollywood nahm sich auch des argentinischen Oscar-Siegers "El secreto de sus ojos - In ihren Augen", aus dem in den USA "The Secret in Their Eyes - Vor ihren Augen" wurde, und des koreanischen Thrillers "Oldboy" an. In den Startlöchern stehen schon Remakes unter anderem von "Ghostbusters", "Ben Hur" und dem Western "Die glorreichen Sieben".

Neu ist die Idee des Remakes freilich nicht, sondern lässt sich bis in die Anfänge der Filmgeschichte zurückverfolgen. Schon Ende des 19. Jahrhunderst wurde "L´Arrivée d´un train à La Ciotat" (1895) der Brüder Lumière in anderen Städten wie am Kölner Hauptbahnhof neu verfilmt. Spitzenreiter bei den Neuverfilmungen sind freilich klassische literarische und historische Stoffe und Figuren von Sherlock Holmes über Hamlet bis zu Kleopatra.

Gesteigert wurde das Interesse an Neuverfilmungen immer durch technische Innovationen wie den Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm, vom Schwarzweißfilm zum Farbfilm, aber auch durch gesellschaftliche Umbrüche. So wurde die klassische Horrorgeschichte um "Dr Jekyll and Mr. Hyde" zwar in der Stummfilmzeit schon mehrfach verfilmt, die bis heute prägende Fassung entstand aber - wie bei anderen Horrorfilmen wie "Dracula" oder "Frankenstein" - erst zu Beginn der Tonfilmzeit mit Rouben Mamoulians Adaption der Novelle von Robert Louis Stevenson.

Auch Monumentalfilme wie "Quo Vadis", "Cleopatra" und "Ben Hur" wurden mit enormem Aufwand schon in der Stummfilmzeit gedreht, doch in den 1950er Jahren wollte man diese Versionen mit Cinemascope und Farbfilm übertreffen. Waren vor 60 Jahren freilich noch reale Statisten und Kulissen nötig, so darf man davon ausgehen, dass bei Timur Bekmambetovs Neuverfilmung von "Ben Hur" der Computer eine nicht unbedeutende Rolle bei der Produktion und Postproduktion gespielt hat.

Doch nicht nur die Technik ändert sich mit den Jahren und Jahrzehnten, sondern auch die Gesellschaft. Durchaus reizvoll ist es folglich einen Stoff, dessen Themen in früheren Jahren aufgrund strenger Zensur nur angedeutet werden konnten, später direkter und vielleicht auch freizügiger nochmals verfilmt wird.

Unmöglich war es beispielsweise 1936 bei der Verfilmung von Lillian Hellmans Stück "The Children´s Hour" - unter dem Titel "These Three" ("Infame Lügen") -, in dem zwei Lehrerinnen einer lesbischen Beziehung verdächtigt werden, das Thema anzusprechen und das produzierende Filmstudio United Artists verlangte von Regisseur William Wyler aus Angst vor Zensurmaßnahmen zahlreiche Änderungen.

25 Jahre später verfilmte Wyler deshalb das Stück erneut unter dem Originaltitel "The Children´s Hour" ("Infam"). Auch hier durfte zwar nie das Wort lesbisch fallen, doch eindrücklich gelang es Wyler "die verheerende Auswirkung des Zusammenwirkens von individuellen Konflikten mit gesellschaftlichen Vorurteilen" (Lexikon des internationalen Films) herauszuarbeiten.

Veränderte gesellschaftliche Verhältnisse erlauben aber auch, eine Geschichte dafür zu adaptieren. Während Don Siegel in "Invasion of the Body Snatchers" (1956) im Gewand eines Horror-Science-Fiction-Films beispielsweise mit der Kommunistenjagd unter McCarthy abrechnete, nützte Philip Kaufman den Stoff 32 Jahre später zur Spiegelung der Verunsicherung der US-Gesellschaft der 1970er Jahre, der Entfremdung und Entmenschlichung ("Invasion of the Body Snatchers", 1978).

Dass speziell in den USA Remakes blühen, hängt aber auch mit dem dortigen Kinosystem zusammen. Da nämlich synchronisierte Fassungen vom Publikum ebenso abgelehnt werden wie untertitelte fremdsprachige Filme, laufen nicht englischsprachige Filme praktisch nur in den Arthaus-Kinos der Großstädte. Weil damit zahlreiche ausländische Produktionen dem amerikanischen Publikum vorenthalten werden, bietet es sich für die Studios geradezu an, die Hits dieser Filme neu zu verfilmen. Die Handlung wird dabei freilich stets in einen amerikanischen Kontext verlegt und Stars sollen für Publikumserfolg sorgen.

Aus Akira Kurosawas Meisterwerk "Die sieben Samurai" (1954) wurde so der Western "the Magnificent Seven" (John Sturges, 1960), aus Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" ((1987) Brad Silberlings in Los Angeles spielender „Stadt der Engel“ (1998) und aus der Dürrenmatt-Verfilmung "Es geschah am helllichten Tag" (Ladislao Vajda, 1958) Sean Penns "The Pledge" ("Das Versprechen", 2001).

Konsequent amerikanisiert und modernisiert hat auch Jim McBride mit "Breathless" (1983) Jean-Luc Godards Meilenstein "A bout de souffle" (1960). McBride verlegt nicht nur die Handlung von Paris nach Los Angeles, sondern putscht seinen stylischen Thriller auch mit viel Rockmusik, grellen Farben und freizügigen Sexszenen auf.

Da oft nur kommerzielle Interessen hinter einem Remake stecken, kann dieses vielfach künstlerisch mit dem Original nicht mithalten, ist nur ein billiger Abklatsch, bei dem man aber hofft durch Werbung mit dem berühmten Original dennoch Kasse zu machen. Doch es gibt durchaus auch Gegenbeispiele, bei denen die Filmemacher versuchten der Neuverfilmung einen eigenen Anstrich, eine eigene Sicht auf den Stoff zu geben.

Reichlich kühn war der Ansatz Gus Van Sants, der Hitchcocks "Psycho" (1960) in Farbe und mit anderen Schauspielern, aber praktisch mit den identischen Einstellungen, derselben Musik und denselben Dialogen neu verfilmte. Ähnliches machte auch Michael Haneke, allerdings mit einem eigenen Film, als er den 1998 gedrehten "Funny Games" zehn Jahre später in den USA als "Funny Games U.S." Bild für Bild mit Naomi Watts und Tim Roth in den Hauptrollen neu verfilmte.

Leichter als bei Meisterwerken der Filmgeschichte tut man sich freilich mit der Neuverfilmung weniger bekannter Werke. Leichter kann hier die Vorlage übertroffen werden. So kennen wohl nur noch wenige Kurt Hofmanns Komödie "Fanfaren der Liebe" (1951), dessen Remake "Some Like It Hot" (Billy Wilder, 1959) ist dagegen längst ein Klassiker der Filmgeschichte.

Auch die Verehrung für einen großen Film, kann zum Remake motivieren. Während John Guillermins 1970er Jahre Remake von "King Kong" (1976) beispielsweise ein kaltes Retortenprodukt ist, konnte Peter Jackson 30 Jahre später überzeugen, weil man bei seiner Verfilmung in jeder Einstellung diese Liebe zum Original spürt, das Remake sichtlich eine Labour of Love und auch eine Hommage an das Original ist.

Gleiches lässt sich auch über Werner Herzogs Remake von Murnaus "Nosferatu" (1922)“ sagen. Auch hier wird das Original nicht ausgebeutet, sondern die wertschätzende Annäherung an den Stummfilmklassiker und Herzogs Einfühlen in die Vorlage ist durch den ganzen Film zu spüren.

Auch fehlen Fälle nicht, in denen Regisseure wie Michael Haneke bei "Funny Games" selbst ihren Film nochmals verfilmten. So hat Alfred Hitchcock der mit seinem 1934 gedrehten "The Man Who Knew Too Much" nie wirklich zufrieden war, die Geschichte 22 Jahre später nochmals - nun in Farbe, mit prächtigen Kulissen, James Stewart und Doris Day in den Hauptrollen sowie dem Oscar-Song "Que sera" als musikalischen Aufputz nochmals gedreht.

Ein Ende des Recycelns erfolgreicher Filme ist nicht abzusehen, denn erstens bringt die Vorlage schon vorab Publicity und kurbelt das Geschäft an und zweitens erspart man sich durch den Rückgriff auf Bewährtes auch die ständige Suche nach einem neuen Stoff.

Vergleich von Original und Remake