Aufbruch. Malerei und realer Raum

Im Jahr 1949 durchstieß der Italiener Lucio Fontana erstmals mit einem Locheisen die materielle Bildfläche; der Amerikaner Ellsworth Kelly schuf in Paris sein erstes rahmenloses Bildobjekt. François Morellet überzog ab 1952 in Frankreich weiß gestrichene einfache Bildtafeln mit repetitiven Strukturen. Seitdem öffneten immer mehr Künstler in Europa und Amerika die festen Grenzen der gerahmten Bildfläche und ersetzten den fiktiven Bildraum durch den Bezug zum realen Umraum.

Die Ausstellung "Aufbruch. Malerei und realer Raum" gibt Einblick in ganz unterschiedliche künstlerische Ansätze, wobei der Fokus auf europäischen und nordamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern liegt, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Geschlossenheit des Bildes mit den Mitteln der Malerei aufzubrechen begannen. Dabei geht es weniger um Tendenzen der in mancherlei Hinsicht verwandten Objektkunst, sondern im Wesentlichen um malereispezifische Entwicklungen. An Werken von "Klassikern", aber auch weniger bekannten und jüngeren Künstlern werden die optischen Kräfte und malerischen Energien vorgestellt, mit denen die Wahrnehmung des Betrachters über die Grenzen des traditionellen Tafelbildes hinausgeführt wird.

Die Ausstellung ist nicht nach kunsthistorischen Stilrichtungen, Künstlergruppen oder Nationalitäten gegliedert, sondern präsentiert exemplarisch unterschiedliche Strategien zur Öffnung des Bildes. So verwandeln kontrastierende Farbenergien bei Günther Fruhtrunk wie auch bei Kuno Gonschior die gleichwertige Flächigkeit. Bei Emil Schumacher, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Arman, bei Antoni Tápies und Marcos Grigorian brechen konkrete Materialien die Konsistenz des Farbkörpers auf. Malerische Attacken überformen sowohl bei Lucio Fontana wie auch bei Arnulf Rainer den Eindruck bildlicher Geschlossenheit. Ellsworth Kelly, François Morellet und Robert Mangold arbeiten mit ebenso klaren wie gegensätzlichen formalen Elementen und unterlaufen mit ihnen jede einheitliche Bildauffassung.

Aus dem Bildkörper lösen sich bei Leon Polk Smith, Frank Stella und dem frühen Rupprecht Geiger selbständige Bildteile. Sie dringen bei Günter Uecker, Ron Gorchov, Charles Hinman und Norvin Leineweber in den Raum des Betrachters und durchbrechen die frontale Gegenüberstellung. Fast lautlos, aber nicht weniger radikal öffnet sich etwa bei Sam Francis, Yves Klein, Morris Louis, Robert Ryman, Harriet Korman oder Jan Wawrzyniak die Kompaktheit des Bildkörpers zu immaterieller Transparenz. Auch bei Gotthard Graubner oder Noriyuki Haraguchi verwandelt sich substantielle Körperlichkeit in schwebende, unbegrenzte Energie.

In die Berliner Ausstellung werden Gemälde und Installationen von Bridget Riley, Gerwald Rockenschaub und Ulrich Erben einbezogen, die malerische, in der Auseinandersetzung mit der Bildfläche gemachte Erfahrungen auf unterschiedliche Weise in den realen dreidimensionalen Raum übersetzen. Auch eine große freiplastische Arbeit sowie Gemälde von Joachim Grommek werden dort zu sehen sein. Auf rund 1.500 qm präsentiert die Akademie der Künste zirka 100 Bildwerke in einer eigens dafür konzipierten Ausstellungsarchitektur am Hanseatenweg.

Aufbruch. Malerei und realer Raum
4. Mai bis 1. Juli 2012