Auf der Suche nach Besonderem

21. September 2011 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Was er sich dabei wohl gedacht hat, dieser ungestüme Italiener? Alle Welt wendet sich der Oper und dem Musiktheater zu, und gerade wie zum Trotze, komponiert er Instrumentalmusik, und was für welche! Ja, was hat er sich nur dabei gedacht? An wen er dabei wohl gedacht hat, diese Frage beantwortet sich jedermann, dem Richard Wagners Musik je zu Ohren kam. Sie kennen Giuseppe Martucci nicht? Dann gehören Sie einer recht großen Gruppe an, doch es könnte sich lohnen, dies zu ändern. Für mich jedenfalls hat es sich gelohnt.

Martucci also wurde, der Name läßt es schon vermuten, in Italien geboren. Dies geschah 1856, im gleichen Jahr, als auch Gustave Flauberts "Madame Bovary" in einer Pariser Zeitschrift erstmals veröffentlicht wurde. Besagtes dürfte jedoch Giuseppe Martucci kaum interessiert haben, lebte er doch in Italien und konnte außerdem nicht von Geburt an lesen. Aber hören konnte er! Und was er hörte, waren die Töne seines Vaters, des Militärkapellmeisters Martucci. So kam es, daß der alte Martucci seinem Filius nicht nur die Flöten- sondern auch die Trompetentöne beizeiten beibrachte. Und dabei sollte es nicht bleiben, denn Giuseppe entschied sich dann doch weder für Ersteres noch für Zweiteres, sondern für Sensibleres und wurde Pianist. Und noch dazu ein sehr guter! Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er bereits mit acht Jahren. Seine Schwester Teresa stand (doch ist‘s wahrscheinlicher, daß sie saß) ihm in diesen jungen Jahren zur Seite.

Im Sommer 1874, Martucci war eben mal 18 Jahre jung, war gar der große Franz Liszt zu Gast bei einem seiner Konzerte. Man sagt, der damals 63jährige Liszt sei sehr angetan gewesen, vom Spiel des jungen Pianisten. Wundert es mich doch nicht allzu sehr, denn Martucci wurde später, was Liszt zu jener Zeit bereits gewesen ist: ein großer Liebhaber von Richard Wagners Musik. Zwar spielte der junge Italiener noch nicht seine eigenen Kompositionen, doch war die Affinität zu Wagner sicher in seinen Interpretationen hörbar.

Das 2. Klavierkonzert von Giuseppe Martucci gehört zu seinen herausragenden Werken. Es war Bestandteil des Repertoires von Artur Rubinstein, und Gustav Mahler dirigierte es 1911 im letzten Konzert vor seinem Tod – es sei bemerkt, daß Martuccis Komposition in keinster Weise zum Ableben des Meisters beitrug!
Als Arturo Toscanini einst das sehr anspruchsvolle Konzert mit dem Orchester der Mailänder Scala einstudierte, äußerte er folgende Bedenken: "Ich bin gespannt, ob er mit allen Problemen, die er selbst geschrieben hat, zurechtkommt." Er kam! Er kam zurecht und zurecht war Toscanini am Ende des Konzertes von der Fingerfertigkeit des Pianisten Martucci als auch von dessen kompositorischen Fähigkeiten überzeugt!

Der Pianist Giuseppe Martucci vermag Sie, liebe Leser, nun nicht mehr zu überzeugen, aber vermutlich Pietro Massa. Der 1973 in Mailand geborene Pianist spielte gemeinsam mit Stefan Malzew und seinen Neubrandenburger Philharmonikern, Martuccis Klavierkonzert Nr. 2 b-Moll ein. Und nicht nur dies, sondern überdies auch das wunderbar melodisch-romantische "Notturno" - was zwar nächtlich bedeutet, doch auch täglich ein erholsames Vergnügen ist – und zwar in der Klavier- als auch in der Orchesterversion, sowie das "Tema e variazioni op.58".

Erschienen ist diese Aufnahme bei Crystal Classics (Co-Produktion Deutschlandradio Kultur / Capriccio, Vertrieb: Q-rious Music) in der Serie Piano Raritäten. Genau das Richtige für Klassikliebhaber, auf der ständigen Suche nach Neuem und Besonderem.

Zwar nicht neu, doch besonders herzlich,
Ihre Rosemarie Schmitt