Auf den Spuren eines literarischen Serientäters

5. September 2008
20.06.2008 bis  07.09.2008
Bildteil

Es war einmal das Märchen vom Blaubart. Der tötete alle seine Ehefrauen, weil sie seinem Verbot zuwiderhandelten, ein bestimmtes Zimmer zu betreten. Nur seiner letzten Frau gelang es, sich vor ihm zu retten. Am Ende war es der Frauenmörder selbst, der sterben musste. Das Märchen ist das literarische Werk des französischen Schriftstellers Charles Perrault, der es 1697 in Paris veröffentlichte.

Blaubart betrat die literarische Bühne mit der 1697 in Paris veröffentlichten Märchensammlung "Histoires ou Contes du temps passé". Dabei handelte es sich nicht um die schriftliche Überlieferung mündlicher Volkserzählungen, sondern um das literarische Werk eines Autors, des Franzosen Charles Perrault, auf der Grundlage volkstümlicher Märchenstoffe und -motive. Die Märchen sind kunstvoll schlicht, zum Teil auch witzig erzählt, von feiner Ironie durchdrungen und enden jeweils mit einer zwiespältigen Moral. Perrault schuf so u. a. die "Prototypen" von "Aschenbrödel", "Dornröschen" und "Blaubart", die bis heute in der Literatur und den Künsten lebendig sind, aber auch massgeblich auf die volkstümliche mündliche Erzähltradition zurückgewirkt haben.

"La Barbe-Bleue" verkörpert die Idealform des Märchentypus vom vielfachen Frauenmörder in Verbindung mit der verbotenen Kammer und der glücklichen Rettung der letzten Ehefrau. Welche Vorbilder Perrault neben mündlichen Märchenvorlagen für seinen "Blaubart" herangezogen hat, ist ungewiss. Auffallend ist die inhaltliche Nähe zu einer Legende aus dem 6. Jahrhundert, in der ein bretonischer Adeliger seinen Ehefrauen öffentlich die Kehle durchschneidet, sobald er sie geschwängert hat. Als historisches Vorbild wird immer wieder Gilles de Rais angeführt – der Kampfgefährte von Jeanne d’Arc soll reihenweise Kinder entführt und getötet haben – oder Heinrich VIII. – der englische König trennte sich von zwei seiner sechs Frauen durch Scheidung, von zwei anderen durch Hinrichtung.

Seitdem sind unzählige Bearbeitungen von "Blaubart" in allen Gattungen (Märchen, Erzählungen, Romane, Dramen, Opern, Illustrationen) entstanden. Zu den bekanntesten Bearbeitungen zählen das Märchen von Ludwig Bechstein, die Oper von Béla Bartók nach Béla Balázs, das Puppenspiel von Georg Trakl, das Tanztheaterstück von Pina Bausch, die Erzählung von Max Frisch. Als Subtext lauert der Blaubart-Stoff im "Todesarten-Projekt" von Ingeborg Bachmann, und in den neunziger Jahren haben Autorinnen wie Karin Struck, Undine Gruenter oder Dea Loher sich mit dem Blaubart-Stoff auseinandergesetzt.

Die Ausstellung zeigt, wie sich die Sicht auf Blaubart und seine letzte Frau – wer ist Täter? wer ist Opfer? – in über 300 Jahren gewandelt hat und wie sie vom jeweiligen Stand des Geschlechterkonflikts abhängt. Sie macht auch deutlich, dass die Männer die Deutungsmacht über den Blaubart-Stoff verloren haben. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählen vermehrt Frauen ihre Version der Geschichte. Und weil der Streit um die Rolle der Frau in der Gesellschaft noch nicht entschieden ist, lebt das Blaubart-Märchen weiter.


Blaubart - Auf den Spuren eines literarischen Serientäters
20. Juni bis 7. September 2008

Strauhof Zürich
Augustinergasse 9
CH 8001 Zürich
T 0041 (0)44 41231-39

Öffnungszeiten:
Di bis Fr 12 – 18 Uhr
Sa und So 10 – 18 Uhr