Arte Essenziale

Die Ausstellung "Arte Essenziale" zeigt Skulpturen und raumgreifende Installationen von acht internationalen zeitgenössischen Künstlern aus Italien, Großbritannien, Georgien und den USA. Alle Künstler haben im Auftrag der italienischen Collezione Maramotti in Reggio Emilia neue Arbeiten für die Ausstellung produziert. Sie loten zum einen die Potentiale und Charakteristika der verwendeten Materialien aus und thematisieren zum anderen philosophische Konzepte zum Verhältnis von Materie, Raum und Zeit.

Nach einer ersten Präsentation in der Collezione Maramotti wird "Arte Essenziale" nun vom 4. November 2011 bis 1. Januar 2012 im Frankfurter Kunstverein gezeigt. Der konzeptuelle Rahmen der Ausstellung ist durch die Frage des italienischen Philosophen Federico Ferrari nach einer essentiellen Kunst definiert: "Arte Essenziale" zeugt von dem Bedürfnis, am Ende der Postmoderne eine Geste des Neubeginns in der aktuellen Kunst zu erkennen. Im Zentrum der Überlegungen Ferraris steht die Suche nach dem Ursprung künstlerischer Praxis unter besonderer Berücksichtigung des Wesens der künstlerischen Geste, ihre Notwendigkeit und Bedeutung.

Einen entscheidenden Zugang bildet nach Ferrari das künstlerische Ausgangsmaterial bzw. die besonderen Eigenschaften der Materie: Das essentielle Wesen des Kunstwerks zeige sich an dem Punkt, an dem die Materie aus sich selbst hervortrete, um zu werden was sie ist. Viele der in der Ausstellung präsentierten Arbeiten verwenden alltägliche Materialien wie Gips oder Hautcreme und setzen sie in Beziehung zu symbolisch aufgeladenen Materialien wie Bronze oder Marmor. Im bildhauerischen Kontext wird dieses Zusammenspiel gegensätzlicher Stoffe betont und sinnlich aufgeladen. "Arte Essenziale" versucht nicht, eine Gruppe zu definieren, sondern zeigt im letzten Jahrzehnt entstandene Einzelpositionen, die ein gemeinsames künstlerisches Verständnis zu teilen scheinen.

Karla Black (*1972) kombiniert in ihren Arbeiten oft Baustoffe wie Gipspulver, Vaseline oder Sägespäne mit alltäglichen Materialien aus dem Kosmetikbereich. Die Oberfläche von "Persuader Face" (2011) - eine fragile Bodenarbeit aus Make-Up-Puder - mutet so sanft an, dass man sie am liebsten berühren möchte. Sie korrespondiert mit einer filigranen, halbtransparenten, mit Kreide bestäubten Zellophanfolie, die scheinbar schwerelos im Raum schwebt. Durch den prozessorientierten Umgang mit den eingesetzten Werkstoffen, kommt das Interesse der schottischen Künstlerin für die Vergänglichkeit von Form zum Ausdruck.

Auch Gianni Caravaggio (*1968) setzt sich in seinen skulpturalen Arbeiten mit dem Sichtbarmachen von Arbeitsprozessen auseinander. Seine Objektkonstellationen befinden sich entweder im steten Wandel oder tragen Spuren vorausgegangener Handlungen in sich. Exemplarisch hierfür steht die Arbeit "Seed Image" (2011), bei deren Entstehung der italienische Künstler Putz von der Wand abgerieben hat und diesen auf eine darunter, an die Wand gelehnte Marmorplatte rieseln ließ. Durch die Staubablagerung hat die Platte eine optische Tiefe gewonnen. Ähnlich verhalten sich auch Francesco Gennaris (*1973) Versuchsanordnungen: Ihr Fokus liegt auf Wandlungsprozessen von Materialien durch den Einfluss äusserer Faktoren wie beispielsweise Temperatur oder durch das Aufeinandertreffen ungleicher Materialien.

Der britische Künstler Ian Kiaer (*1971) befragt in seinen modellartigen Installationen utopische Architekturentwürfe und baut komplexe Referenzsysteme zwischen Architekturgeschichte, Literatur und Philosophie. Auch Alice Cattaneo (*1976) entwirft raumgreifende Installationen. Die filigranen Skulpturen der italienischen Künstlerin sind aus Elementen wie Tesastreifen oder Schaumstoffplatten gefertigt. Trotz ihrer Fragilität vermögen sie in die räumliche Struktur einzugreifen. Thea Djordjadze (*1971) verbindet in ihren Installationen kalte Materialien, wie Glas oder Stahl mit warmen, häuslichen Objekten wie Teppichen oder abstrakten, getöpferten Formen. Ihre Objektkonstellationen bilden unsichtbare Räume, die von Le Corbusiers Proportionssystem des menschlichen Maßes inspiriert sind. Die georgische Künstlerin unterläuft jedoch dessen Zweckmässigkeit und führt die strengen Modelle des Architekten ad absurdum.

Die installativen Arbeiten von Jason Dodge (*1969) tragen zumeist Textfragmente als Titel. Die Verbindung zu den Objekten, die sie beschreiben, bleibt jedoch unklar. Der amerikanische Künstler bringt alltägliche Gegenstände wie Fleecedecken und Küchenwaagen auf ungewöhnliche Weise in Beziehung zueinander und schafft Objektkonstellationen, die an verlassene Filmsets erinnern. Die Werkzyklen der amerikanischen Künstlerin Helen Mirra (*1970) sind abstrakte Erlebnis- bzw. Forschungsberichte, visuell festgehalten in Fotografien oder Objekten, die als Zeugnisse dienen. Das assoziative Zusammenfügen durch den Betrachter führt die Bruchstücke wieder zusammen.

Beteiligte KünstlerInnen: Karla Black (UK), Gianni Caravaggio (IT), Alice Cattaneo (IT), Thea Djordjadze (GE), Jason Dodge (USA), Francesco Gennari (IT), Ian Kiaer (UK), Helen Mirra (USA).

Zur Ausstellung ist ein zweisprachiger Katalog (englisch/ italienisch) erschienen mit einem Beitrag von Federico Ferrari, herausgegeben von der Collezione Maramotti. Preis: EUR 30.-
"Arte Essenziale" ist eine Produktion der Collezione Maramotti und wird in Kooperation mit dem Frankfurter Kunstverein realisiert.

Arte Essenziale
4. November 2011 bis 1. Januar 2012