Art & Absinth

Am 21. Dezember 2007 wird in der K12 Galerie in Bregenz eine von Werner Marxx Bosch kuratierte Ausstellung zum Thema "Art & Absinth" eröffnet. Es stellen zwanzig, von Bosch eingeladene KünstlerInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz ihre Statements zu diesem brisanten Thema aus.

Die (Vor-)Geschichte des Absinths reicht weit in die Antike zurück: Schon die alten Griechen kannten die euphorische Wirkung spezieller Wermutzubereitungen. In der griechischen Mythologe war das Kraut etwa Artemis geweiht, der Göttin der Fruchtbarkeit. Und es hatte eine grosse Bedeutung in der gynäkologischen Volksmedizin sowie als Aphrodisiakum. In der Neuzeit wurde Absinth zunächst als belebendes Allheilmittel am Ende des 18. Jahrhunderts im Schweizer Jura, genauer im Val-de-Travers neu erfunden. Die Rezeptur stammt von den Schwestern Henriod und nicht, wie oft behauptet, von Dr. Ordinaire. Dieser war 1768 aus Frankreich nach Couvet geflüchtet und beteiligte sich lediglich an der Verbreitung von Absinth. Das Rezept verkauften die Schwestern an einen gewissen Major Dubied, einem Spitzen- und Käsehändler, der dann 1797 mit seinem Sohn Marcelin und seinem Schwiegersohn Henri-Louise Pernoud eine Absinth-Brennerei gründete und die Rezeptur kommerziell umsetzte. Ein kleiner Raum, der als Waschküche diente, wurde so zur ersten professionellen Absinthbrennerei der Geschichte. Hergestellt wird Absinth mit Matzeraten des Wermutkrautes und Zusätzen wie etwa Anis, Ysop, Melisse, Fenchel und Minze. Je nach Rezeptur erhält das Getränk, dessen Alkoholgehalt üblicherweise zwischen 45 und 75 Prozent liegt, eine smaragdgrüne Farbe, weshalb er in dieser Form auch als "Grüne Fee" (französisch "la Fée Verte") bezeichnet wurde und wird. Der psychoaktive Bestandteil des Absinths stammt von dem im Wermut-Kraut enthaltenen Thujon (Tanaceton), einem Neurotoxin, das eine ähnliche Molekularstruktur aufweist wie THC, dem Wirkstoff von Cannabis. Nicht zuletzt dieses Thujon-Anteils wegen war die Grüne Fee vor allem bei Künstlern wie Baudelaire, Rimbaud, Verlaine, Degas, Maignon, Wild, Hemingway oder Picasso sehr beliebt. Der Dichter Verlaine war vom Absinth so begeistert, dass er daraus eine Grussformel machte. Anstatt beispielsweise einen Guten Tag zu wünschen, grüsste er mit "ich trinke ihn mit Zucker". Einer der bekanntesten Geniesser war Vincent van Gogh. Dass er sich die Ohrmuschel abschnitt und diese einer Prostituierte schenkte, ist wohl in engem Zusammenhang mit seinen Absinthexzessen zu sehen. Von Toulouse-Lautrecs wird behauptet, dass er seine Bilder stets unter Absinth-Einfluss gemalt habe. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Absinth in fast allen europäischen Ländern verboten, da er vermeintlicherweise Absinthepilepsie und verstärkten Hang zu Selbstmord und Wahnsinn verursache. Längst ist bekannt, dass die negativen Folgen des Absinthkonsums vom minderwertigen Alkohol herrührten, der vielfach für die Absinth-Erzeugung verwendet wurde. Seit 1998 ist das Absinth-Verbot in den EU-Ländern wieder aufgehoben. Die Schweiz eliminierte das Verbot erst vor zwei Jahren. Heute erlebt Absinth eine wahre Renaissance, Laut einer Studie ist Absinth in Deutschland nach Vodka und Tequila bereits zur drittbeliebtesten Spirituose aufgerückt. Seitdem das Absinth-Verbot aufgehoben wurde, beschäftigt sich auch der Künstler und Galerist Werner Marxx Bosch mit diesem Thema: "Das Thema Absinth beschäftigt mich seit längerer Zeit, eigentlich seit Ende des "letzten Jahrtausends", als das Absinthverbot 1998 in der EU wieder aufgehoben wurde. Absinth ist in der Kunstgeschichte seit ca. 150 Jahren ein Thema mit dem sich weltberühmte Künstler mehr oder weniger intensiv beschäftigten. Ich wollte damals wissen wie Artemisia Absinthium schmeckt. Weil es praktisch so gut wie keinen Absinth hier gab, besorgte ich mir ein authentisches Rezept aus dem Val de Travers, das als Ursprungsgegend des Absinth bezeichnet wird. Nachdem wir dieses Rezept in verschiedenen Variationen mit einem der besten Brennmeister nachbrannten, waren wir so überzeugt davon, dass wir ein eigenes Label gründeten, die "Rote Fee". Eine Verbindung zur Kunst der Gegenwart herzustellen war da nur eine Frage der Zeit. Die Ausstellung "Art & Absinth" ist trotzdem eher ein spontanes Projekt, das sich aus Gesprächen mit Künstlern ergeben hat, die nun innert kurzer Zeit mit grosser Lust über dieses Thema reflektieren." 20 KünstlerInnen beteiligen sich an diesem Ausstellungsprojekt. Von Christoph Abbrederis angefangen, der mit einer abstrakten Illustration dem Thema zu Leibe rückt, bis zu Michael Vonbank, der für ihn typische, zwischen Art-Brut, Basquiat und Dubuffet changierende Figuren mit Ölkreide aufs Papier setzt und mit Rote-Fee-Werbesprüchen verschränkt. Die Fotografin Simone Schleichert, die jüngst mit einer Serie von Fotografien über Gottfried Bechtold und seine Betonporsches für Aufsehen gesorgt hat, zeigt eine mehrdeuteige Schwarzweissaufnahme von einem männlichen Akt. Der Oberkörper des mit dem Rücken zum Boden liegenden Mannes scheint sich aufwölben zu wollen, als ob er sich in Ekstase befinde – oder auch in Agonie. Es ist eine eindringliche Fotografie, deren Wirkung nicht zuletzt davon lebt, dass Schleichert mit einfachen technischen Mitteln arbeitet und ausschliesslich mit dem natürlich vorhandenen Licht operiert. Mit einer gleichermassen gescheiten wie ironischen Arbeit wartet das Künstlerduo CC Sauter auf. Bei ihrem Objekt handelt es sich um einen Schminkspiegel, bei dem der Rahmen und die Halterung zum spiegelnden Element, während die übliche Spiegelfläche zu einem Stück Wand wird. Es ist also eine Verquerung – das Innen wird nach aussengestülpt, so wie das beim Absinth ja auch der Fall sein kann. Der Appenzeller Künstler H.R. Fricker wiederum verortet Absinth zu einem seiner bekannten Schriftschilder. Absinth wird bei ihm zu einem "Ort der Vision". Neben Fricker partizipieren noch zwei weitere in der Schweiz lebende und arbeitende Kunstschaffende: Hannes Gamper (St. Gallen) löst das emotionale Absinth-Empfinden in ein farblich entsprechendes und mit Hilfe des Computer erzeugten Streifenbild auf, und der Zürcher Max Grüter rückt mit in Kunststoff gegossenen Tisch-, Stuhl-, Flaschen- und Glas-Objekten an, die ihre eigenen Schatten bereits skulptural mit sich tragen. Insgesamt reichen die bei "Art & Absinth" gezeigten Techniken vom klassischen Tafelbild bis zum skulpturalen Objekt, von der Zeichnung bis zur Textur und vom computergenerierten Bild bis zur Fotografie. Beteiligte KünstlerInnen: Christoph Abbrederis, Gottfried Bechtold, Werner Marxx Bosch, Marc Dern, Manfred Egender, H.R. Fricker, Hannes Gamper, Max Grueter, Tina Haase, Edith Hofer, Rafet Jonuzi, Peter Krueger, Michael Mittermayer, Rainer Rainer, CeCe Sauter, Simone Schleichert, Rainer Schneider, Michael Vonbank, Uta Belina Waeger, Jürgen Wagner.
Art & Absinth 22. Dezember 2007 bis 26. Januar 2008