Ansichten XVII - "Obsession"

Die 17. Ausstellung der Reihe "Ansichten" im Quadrart Dornbirn folgt zunächst den Spielregeln, entlang derer sich die Reihe seit 2009 aufspannt. Für jede Ausstellung wechseln einerseits die Kuratoren und zudem soll eine gezeigte Arbeit aus der Sammlung Erhard Witzel stammen. Mit den Arbeiten von Bea Emsbach Michael Kalmbach, Günter Uecker, "Do it yourself" und dem Documenta-8 Klassiker "Der Lauf der Dinge" von Fischli und Weiss sind diesmal mehrere Arbeiten aus der Sammlung Witzel auf besonderen Wunsch des Kurators miteinbezogen worden.

Der in Frankfurt lebende Künstler Jan-Ulrich Schmidt wurde als Kurator eingeladen. Er spürt mit seiner Präsentation der Vermutung nach, dass aus einem bloßen Interesse eine Obsession wird, wenn sich außergewöhnliche Intensität und Kontinuität im Suchen, Sammeln und Zeigen treffen. Dabei werden verblüffende Parallelen zwischen den Leidenschaften aller beteiligten Personen offengelegt und eine sich verstärkende Wechselwirkung zwischen unserem Hunger nach Sehen und dem Bedürfnis der Künstler nach Zeigen konstatiert.

Dem spannungsvollen Verhältnis zwischen Künstlerin und Kurator nähert sich die in Berlin lebende Annette Hollywood in ihrer Videoarbeit "Sorry Curator" in Form eines "Rap-Battle" an, in dem sie sowohl als Kurator als auch als Künstlerin auftritt. Thematisiert wird die augenscheinliche Unvereinbarkeit dieser beiden Rollen, die in intimer Art aufeinander angewiesen sind und doch oft fundamental unterschiedliche Interessen haben.

In Jutta Burkhardt´s Arbeit "Künstlerpinsel" werden die Handlungen des Sammelns und des Sortierens am ungewöhnlichen Material Haar ablesbar. Im Gegensatz zum Künstlerpinsel von Timm Ullrichs aus dem Jahr 1971 wird hier das Haar unterschiedlicher Künstler - jeweils genauso einmalig wie ein Fingerabdruck - zu einer Kollektion von in Farbe und Form individuellen Künstlerpinseln verarbeitet. Die Pinsel könnten in ihrer Funktion als Werkzeug gedachter Ausgangspunkt potentieller Werke sein, nehmen aber auch Bezug auf das oft beschworene Geniale im Künstler und das Begehrenswerte darin. Die "Locke" des angebeteten Ausnahmetalents dient dabei als Fetisch und verweist auf die romantische Vorstellung des von der Welt entrückten Elfenbeinturmbewohners, der das profane Leben hinter sich lässt, um sich ausschließlich seinen Leidenschaften widmen zu können.

Nicola Hanke, Felix Rehfeld und Martin Spengler verbindet zunächst ihr gemeinsames Studium in der Klasse Karin Kneffel in Bremen und später in München. Diese Koinzidenz wirft die Frage auf, ob die allen dreien darüber hinaus gemeinsame kompromisslosen Konsequenz in ihrer Arbeitsweise Resultat der Auseinandersetzung mit der Lehrerin ist, oder ob Karin Kneffel gerade jene junge Künstlerinnen und Künstler anzieht, die zu einer solchen Art der Auseinandersetzung neigen.

Nicola Hanke malt seit vielen Jahren Stoffe, meist zwei Stücke nebeneinander, und schafft in einem erschütternd langsamen Prozess eine oberflächlich betrachtet fotorealistisch anmutende Parallelwelt. Erst bei ebenfalls stark verlangsamtem und dadurch präzisiertem Blick geben die Bilder ihre Geheimnisse frei, die aus dem Vokabular der Malerei schöpfen. Die Stoffe, die als Grundlage für die Malereien dienen, findet Hanke dabei in einem beinahe mystischen Prozess. Wir erhalten Einblick in einen intimen, fast manischen Blick durch die Brille einer Abenteurerin.

Die Werkzeuge der Malerei nutzt auch Hankes Kollege Rehfeld, der ausgehend von der Farbmaterie die Grenzbereiche zwischen der Stofflichkeit der Farbmasse einerseits und der Wirkung der Farbe andererseits auslotet und dabei regelmäßig buchstäblich ans Ende des Möglichen stößt. Einerseits erschafft er durch einen extrem pastosen Farbauftrag plastische Landschaften auf Leinwänden und Papier, andererseits reproduziert er diese reliefartigen Gebilde auch irritierend, nahezu verstörend flach und technisch perfekt als Malereien, wodurch unser Glaube an die Abbildungsqualitäten von Bildern gleichermaßen bestätigt wie konterkariert werden.

Martin Spengler dagegen arbeitet ganz im Relief: Er benutzt als Material aufeinander geklebte Pappe. In diese Pappobjekte schneidet er seine Motive in einem für den Beobachter äußerst aufreibend wirkenden Prozess, den der Künstler auf bohrende Nachfrage lapidar als "harte Arbeit" bezeichnet. Aber auch in der Motivik findet sich das im wahrsten Sinne des Wortes Obsessive wieder - Spengler kommt oft, beinahe zyklisch auf bestimmte Bilder zurück: den Kölner Dom, Wohnblöcke, Menschenmassen. Zu dieser Ebene seiner Arbeit äußert sich Spengler ebenfalls eher vorsichtig und doch wird abermals die Komplexität und Vielschichtigkeit ebenso klar wie in seiner Produktionsweise.

In der Arbeit von Markus Walenzyk stellt sich der verstörende Eindruck der Selbstauflösung des Künstlers im Schaffensprozess in besonderer Intensität dar. In "Waxed" taucht Walenzyk immer und immer wieder sein Gesicht in heißes, flüssiges Wachs, bis er keine Luft mehr bekommt und den Prozess abbrechen muss. Für "Billboard Pieces" springt der Künstler gegen die Leuchtreklamen an Bushaltestellen, ein gleichermaßen aggressiver wie autoaggressiver Akt.

Ansichten XVII - "Obsession"
8. Dezember 2013 bis 22. April 2014