Amerikanische Dominanz am Lido di Venezia

Starregisseure en masse - und selbstverständlich auch die in den jeweiligen Filmen spielenden Weltstars von Brad Pitt bis Cate Blanchett - hat Marco Müller zum 75. Filmfestival von Venedig (29.8. – 8.9.) eingeladen und bietet in der Nebenreihe "Orizzonti" dem jungen und experimentellen Kino eine Plattform.

Die Konkurrenz des im Oktober zum zweiten Mal stattfindenden Filmfestivals von Rom setzt Venedig unter Druck. Der Run auf große Namen hat sich dadurch nochmals verschärft und zumindest im Jubiläumsjahr scheint die Biennale von Venedig die Nase vorn zu haben. Auf den ersten Blick auffallend ist, dass Festivaldirektor Marco Müller, der als Experte und Fan des asiatischen Kinos gilt, heuer die USA forciert, die neun der 22 Weltbewerbsfilme stellen, während der Ferne Osten nur mit vier Produktionen vertreten ist. Dahinter dürfte auch Berechnung stehen, denn im Gefolge eines amerikanischen Films kommen vielfach auch die jeweiligen Stars, die für mediales Interesse sorgen, das ein Kunstfilm ohne Weltstars nie erregt.

Auch das mit den großen Namen ist so eine Sache, denn sie wecken hohe Erwartungen, die leicht in Enttäuschung umschlagen kann. Solide Unterhaltung mit starken Schauspielern, aber kaum großes modernes Kino ist von Joe Wrights Ian McEwan-Verfilmung "Atonement" zu erwarten, der zur Eröffnung gezeigt wird. Wrights letzter Film, die Jane Austen-Verfilmung "Pride and Prejudice" gibt diesbezüglich den Rahmen vor. Bei Peter Greenaway wiederum liegt die Zeit seiner großen Filme schon über 15 Jahre zurück. Fast nur positiv überraschen kann somit "Nightwatching", in dem sich der Brite ausgehend von der "Nachtwache" mit dem Leben Rembrandts auseinandersetzt.

Wes Anderson wiederum wird mit "The Darjeeling Limited", in dem mit Owen Wilson, Bill Murray, Angelica Huston und Jason Schwartzman auch wieder seine "Film-Familie" mitspielt, dem skurril satirischen Ton seiner bisherigen Filme treu bleiben ("The Royal Tenenbaums"). Kenneth Branagh präsentiert mit "Sleuth" ein Remake eines Thrillers von Joseph Mankiewicz, bei dem wie im Original Michael Caine mitspielt. Da eine von Branaghs Stärken die Schauspielerführung ist, könnte er mit diesem beinahe ganz auf zwei Figuren reduzierten Kammerspiel durchaus begeistern.

Vertrautes zu erwarten ist von den Altmeistern Ken Loach und Eric Rohmer. Der Brite bietet mit seinem Migrantendrama "It´s a Free World" wohl wieder Sozialrealismus und dürfte dabei wiederum zeigen, dass sein Herz für die Entrechteten schlägt, der Franzose legt dagegen mit "Les amours d´Astrée et Céladon" die Verfilmung eines französischen Liebesromans aus dem 17. Jahrhundert vor.

Bei den Amerikanern ist man weniger auf Brian de Palmas Episodenfilm zum Irakkrieg ("Redacted") und dem neuen Film von Oscar-Preisträger Paul Haggis ("In the Valley of Elah") als vielmehr auf Todd Haynes seit langem erwartetes Bob-Dylan-Biopic "I´m not There" gespannt. Schon die Ausgangslage Dylan mit sieben verschiedenen Schauspielern, unter ihnen Richard Gere und Christian Bale, aber auch Cate Blanchett zu besetzen lässt einen ungewöhnlichen Film erwarten.

Seinem vielfältigen Werk eine neue Facette hinzufügen dürfte auch der Taiwanese Ang Lee, legt er mit "Se, jie / Lust, Caution" doch seinen ersten Spionagefilm vor. Nicht übersehen sollte man in diesem Wettbewerb aber auch den Italiener Vincenzo Marra, der nach seinem meisterhaften "Vento di terra" mit "L´ora di punta" seinen dritten Spielfilm präsentiert, den französischen Regie-Jungstar Abdellatif Kechiche ("La Graine et le mulet") oder den spanischen Stilisten Jose Luis Guerin ("En la ciudad de Sylvia").

Prominentester Asiate im Wettbewerb ist Schnellfilmer Takashi Miike, bei dem schon der Titel "Sukiyaki Western Django" und die Besetzung der Hauptrolle mit Quentin Tarantino actionreiches Trashkino, das sicherlich nicht jedermanns Sache, aber willkommener Kontrast in einem gezielt anspruchsvollen Programm ist, erwarten lässt. - Diesen Kontrast bietet auch die Retrospektive, die dem Italo-Western gewidmet ist.

Trotz dieses hochkarätigen Wettbewerbs sollte man die Nebenschienen nicht außer Acht lassen. Auch "Außer Wettbewerb" fährt Marco Müller, der heuer zum letzten Mal die Biennale leitet, mit Woody Allen ("Cassandra´s Dream"), Claude Chabrol ("La Fille coupée en deux"), dem Koreaner Im Kwon Taek ("Beyond the Years"), dem Japaner Takeshi Kitano ("Glory to the Filmmaker") und dem inzwischen 99jährigen portugiesischen Altmeister Manoel de Oliveira ("Crisovao Colombo – O enigma") große Namen auf und streut beispielsweise mit Shari Springer Berman und Robert Pulcinilass ("The Nanny Diaries") ein Duo darunter, das zuletzt mit "American Splendor" begeisterte.

Auch der letztjährige Sieger Jia Zhangke bringt mit seinem Dokumentarfilm "Useless" einen neuen Film an den Lido, der aber ebenso wie Hartmut Bitomskys Filmessay "Staub", Jonathan Demmes ebenfalls dokumentarischem "Man from Plains" und dem achtstündige "Death in the Land of Encantos" des Philippinen Lav Diaz in der dem experimentellen Kino gewidmeten "Orizzonti" läuft. Der auffälligste Name im Spielfilmbereich dieser Programmschiene ist wohl der Japaner Aoyama Shinji, dem vor einigen Jahren mit dem Geiseldrama "Eureka" ein herausragender Film gelang und der nun in Venedig "Sad Vacation" präsentiert.

Biennale von Venedig