Alles Papier!

Die Arbeit auf Papier tritt in der zeitgenössischen Kunst in unglaublicher Vielfalt in Erscheinung: Sie kann geklebt oder gesprayt, geschnitten, gemalt oder auch gedruckt sein. Sie ist manchmal Experimentierfeld und Vorstufe, manchmal bildet sie selbst eine abgeschlossene, repräsentative Einheit für sich. Die aktuelle Ausstellung fokussiert auf zwei spezifische Ausprägungen der Papierarbeit, die einander entgegen gesetzt sind und sich spannungsreich ergänzen: die lineare geometrische und die malerisch bunte Variante.

Viel Farbe bringen die Werke von Judy Ledgerwood (*1959) mit in die Ausstellung. Wie auch in ihren Gemälden kombiniert die Künstlerin auf Papier abstrakte Elemente und ornamentale Einflüsse. In den neuen Arbeiten wird unter anderem die Strenge des Quadrats durch intensive Buntheit und Leuchtkraft aufgelockert.

Eine studienähnliche Auseinandersetzung mit Farbe und Farbverläufen findet sich in den Arbeiten von Koka Ramishvili und Larry Bell vor. Beide Künstler werden mit exklusiven Mappenwerken präsentieren: In Öl gestaltet Koka Ramishvili (*1956) sein "My Color Set", bei dem das Verhältnis von Form- und Farbverdichtung variiert wird und die Materie der Farbe eine faszinierende, fast ätherische Leichtigkeit erhält.

Verdichtung und Transparenz spielen auch in den Farblithografien der "Barcelona Series" von Larry Bell (*1939) eine Rolle. Sie sind eine von verschiedenen Ausdrucksformen, in denen sich Bells langjährige Auseinandersetzung mit Licht, das auf unterschiedlichste Oberflächen trifft, manifestiert.

Zu den zeichnerisch geprägten Papierarbeiten zählen etwa jene von Hubert Kiecol (*1950) oder Gary Kuehn (*1939). Das Werk beider Künstler ist durch skulpturale wie auch zeichnerische Arbeiten charakterisiert, die einander je eigenständig und doch ergänzend gegenüber stehen. In den gezeigten Arbeiten von Kiecol und Kuehn dominieren Repetition und geometrische Strukturen, die entweder von Hand mit Öl, Grafit, Ölkreide ausgeführt oder als Monotypie gedruckt sind.

Das Resultat von minutiöser Handarbeit sind auch die Zeichnungen von Erwin Redl (*1963). Die Werke, denen ein vom Künstler selbst auferlegtes, strenges Gestaltungskonzept zugrunde liegt, erinnern an Notationen von geheimen Codes oder an Partituren. Auch sie schlagen als eigenständige Produktionen eine Brücke zu den ebenfalls systematisch strukturierten, raumgreifenden Lichtinstallationen des Künstlers.

In anderer Weise als Ledgerwood nähert sich der junge Konzeptkünstler Ryan Brown (*1977) dem Thema des kunsthistorisch höchst aufgeladenen Quadrats. Seine auf den ersten Blick konkret konstruktiv anmutenden Blätter stellen in Tat und Wahrheit eine kritische, ja, ironische Befragung der geometrischen Kunst dar, was bereits in den verwendeten Materialien ersichtlich wird: Neben Aquarell, Acryl, Tusche und Grafit hat der Künstler das Papier mit Salz und Motoröl bearbeitet.

Mit Jessica Diamond (*1957), die vor allem für ihre direkt auf Museumsund Galeriewänden ausgeführten Werke bekannt ist, findet schließlich auch die Schrift Einzug in unsere Schau. "Be happy you are loved" kann als hoffnungsstiftende Verkündigung oder als gebieterisch absurder Befehl verstanden werden, welcher der Realität des Gefühlslebens trotz rosa ausgemalten Buchstaben nicht gerecht wird.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist ein neues Werk von Reto Boller (*1966), der in seiner Papierarbeit schließlich die Grenze zum Objekthaften berührt. Die beklebten Elemente aus Karton erinnern an eine Häuserzeile, sind aber grundsätzlich abstrakt geometrisch gehalten. Im Blickpunkt der Arbeit steht die Leerstelle, denn immer dort, wo die Collage-Elemente Bilder aufweisen würden, hat der Künstler Löcher ins Papier geschnitten und so die inhaltliche Bedeutung entzogen, um den Dialog zwischen Oberfläche und Tiefe, zwischen Material und Form zu eröffnen. Deborah Keller


Alles Papier!
7. November bis 17. Januar 2015