Alles in Butter?

22. September 2010 Rosemarie Schmitt
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Während Vincent van Gogh sich in den Niederlanden der Kartoffel widmete, lernten die Engländer den Wert der Butter zu schätzen. So wurde, quasi zum Zeichen dieser Wertschätzung, am 12. Juli des Jahres 1885 in London der liebenswerte, streichzarte George Sainton Kaye Butterworth geboren.

Er hatte das Glück, in eine sehr musikalische und fürsorgliche Familie hineingeboren zu werden. Er war ein gütiger Junge, der niemanden "unterbutterte" und jedermann "die Butter auf dem Brot gönnte". Dennoch war er ein anspruchsvoller und stolzer Mensch, mit Idealen und Prinzipien. Loyalität und Treue waren selbstverständlich. Die ganze Familie gehörte zu den Menschen, die nicht "für ein Butterbrot zu haben" waren. Dort war, wie man sagt, "alles in Butter". Ist Ihnen, liebe Leser, der Ursprung dieser Redewendung bekannt? Nun, falls ja, so müssen Sie getrost die nun folgende Erklärung nicht lesen. Aber nun mal "Butter bei die Fische"!

Im Mittelalter, also irgendwann in der Zeit zwischen dem 6. und dem 15. Jahrhundert, wurden Gläser und andere zerbrechliche Behältnisse von Venezien über die Alpen transportiert. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie holperig diese Route gewesen sein muß (was bedauerlicher-und teilweise auch heute noch der Fall ist). Außerdem hatte man von Stoßdämpfern noch nicht die geringste Ahnung, und so holperten und stolperten die mit Fässern beladenen Karren ihrem Bestimmungsort zu. Mal brach ein Wagenrad, und mal fiel ein Faß vom Wagen und rollte lustig ins Tal hinab. Aber da zum Schutze der Gläser diese in Butterfett eingegossen waren, blieben sie heil. Die zu schützenden Güter wurden vor dem Transport in warme, flüssige Butter eingelegt und nachdem diese abgekühlt und verfestigt war, konnte die Reise beginnen. Die meisten Waren kamen unversehrt an. Ob es auch im Sommer funktionierte, und ob man dem Geruch je wieder Herr wurde, weiß ich nicht. Na, alles in Butter, werte Leser?

Aber ich sprach von George Butterworth. Weshalb? Weil ich seine Musik hörte und sie nicht mehr vergessen kann. Aus der NAXOS-Reihe "The English Song Series" fiel mir eine CD in die Hände, und diese Musik bahnte sich ihren Weg über mein Ohr direkt in mein Herz. Ich gebe zu, als ich die ersten Takte hörte, ordnete ich den guten Butterworth einer völlig anderen Zeit zu. Daß diese Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert stammten, hätte ich nicht vermutet. George Butterworth war ein sehr guter Freund des Komponisten Ralph Vaughan Williams. Mit ihm teilte er die Leidenschaft und die Liebe zum englischen Volkslied. Während Williams sich auch der modernen, neuzeitlichen Komposition zuwandte (er nahm Unterricht bei Maurice Ravel, Max Bruch und ließ sich inspirieren von seinem Freund Gustav Holst), ließ Butterworth sich von der "Modernen" nicht "unterbuttern" und hielt an seinem Vorhaben fest, sich ausschließlich dem "altmodischen" volkstümlichen Musikgut zu widmen.

George Butterworth war sehr mit seinem Heimatland verbunden. Zu sehr! Denn nach Ausbruch des ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig zum Militärdienst. Und dieser verdammte Krieg nahm ihm nicht nur die Butter vom Brot, er nahm ihm auch sein 31jähriges Leben. Es heißt, er fiel in der Schlacht an der Somme bei Pozières. Ich bin jedoch der Meinung, er fiel nicht, er wurde umgebracht. Wer fällt, ist nicht zwangsläufig tot, außer im Krieg. Fallen auch Kriegsminister wie ein Butterbrot gewöhnlich auf die "gute" Seite? Mit George Butterworth starb ein Komponist, der der Musikwelt des 20. Jahrhunderts noch viel hätte geben können.

Seine Leiche wurde nie gefunden. Sein Name steht am Thiepval-Denkmal, und er wurde posthum mit dem Militär-Kreuz ausgezeichnet. Er starb im Jahre 1916. In dem Jahr, als "Die toten Augen" von Eugen d’Albert uraufgeführt wurden, als Albert Einsteins "Relativitätstheorie" erstmals veröffentlicht wurde, die längste Bahnstrecke der Welt, die Transsibirische Eisenbahn, fertiggestellt und die Bayerischen Motoren Werke (BMW) gegründet wurden.

All das konnte George Sainton Kaye Butterworth nicht mehr erleben. Uns bleibt nur eine Ahnung davon, was er noch alles hätte schaffen können. Wenn Sie in seine Kompositionen und in sich hineinhören, seinen Liedern lauschen, sich die Aufnahme von dem Bariton Roderick Willams und dem ihn begleitenden Pianisten Ian Burnside angehört haben, wissen Sie, was ich meine.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt