Bis ins 20. Jahrhundert durften prachtvolle Fächer und Handschuhe als unverzichtbares Accessoire in der Garderobe der europäischen Dame nicht fehlen. Fächer galten als gesellschaftliches Statussymbol und dienten der nonverbalen Kommunikation. Ohne Handschuhe war die elegante Frau im 19. Jahrhundert nicht ordnungsgemäß gekleidet. Heute fristet der Fächer in Europa ein Nischendasein, Handschuhe haben an dekorativem Wert eingebüßt.
Die Ausstellung "Allerhand!" stellt diese heutzutage ein wenig vernachlässigten Accessoires ins Rampenlicht und präsentiert mit einer Auswahl von 70 Exponaten einen Streifzug durch Fächer- und Handschuhdesign aus mehreren Jahrhunderten.
Breiter Raum wird Fächern aus Ostasien gewidmet, wo Fächer über Jahrhunderte nicht nur Teil der höfischen Etikette, sondern auch der Alltagskultur waren und noch heute als Requisit bei traditionellen Tänzen dienen. In Japan werden Fächer nach wie vor im Alltag verwendet. Neben bemalten, unmontierten Fächerblättern und Fächern aus China, wie beispielsweise ein runder chinesischer Lackfächer aus dem 19. Jahrhundert, zeigt die Schau als besonderes Exponat einen japanischen Paravent, der mit bereits getragenen, recycelten Fächerblättern dekoriert ist.
Über portugiesische Händler kam in der frühen Neuzeit die heute wohl gängigste Form des Fächers, der Faltfächer, von Asien nach Europa und verbreitete sich von der iberischen Halbinsel ausgehend in ganz Europa. Im Barock und Rokoko erlebte der Fächer einen Siegeszug in der Gesellschaft. Fächermacher entwarfen unterschiedlichste Modelle – vom Falt- über den Rad- bis zum Briséfächer – und ihr Handwerk avancierte zu einem angesehenen Beruf. Bis ins 20. Jahrhundert galten aus edlen Materialien gefertigte, mit Malereien versehene Fächer als fixer Bestandteil der weiblichen Robe und waren wichtige Instrumente der Koketterie. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die sogenannte Fächersprache zum Mittel der nonverbalen Kommunikation auf gesellschaftlichen Anlässen.
Entsprechend der schlichteren Mode wurde das Fächerdesign im Empire und Biedermeier zurückhaltender. Das Tragen von Fächern verlor generell an Popularität, um Anfang des 20. Jahrhunderts noch einmal einen Aufschwung zu erleben.
Die modische und gesellschaftliche Bedeutung von Fächern im europäischen Raum wird in der Ausstellung mit einer Fülle unterschiedlicher Exponate aus sieben Jahrhunderten nachgezeichnet: darunter ein exquisiter französischer Radfächer aus dem 15. Jahrhundert, ein Beispiel für einen venezianischen Fahnenfächer aus dem 16. Jahrhundert oder ein Faltfächer mit Chinoiserie (Frankreich oder Deutschland, um 1750). Der spezielle Verwendungskontext als wichtiges Accessoire im christlichen Ritus wird mit zwei außerordentlich seltenen spätmittelalterlichen Radfächern thematisiert, die gemeinsam mit für den kirchlichen Gebrauch in Gold gestrickten Handschuhen gezeigt werden.
Mit dem Wandel des Rollenbildes und der Emanzipation der Frau ist der Fächer nach dem zweiten Weltkrieg fast vollständig aus der europäischen Mode verschwunden. Er führt seither ein Nischendasein als Souvenir und Werbeartikel, oder als außergewöhnliches Accessoire für Abendroben und Haute Couture-Schauen.
Korrespondierend zur Präsentation der Fächer zeigt die Ausstellung "Allerhand!" exquisite Beispiele europäischen Handschuhdesigns auf. Wie Fächer sind Handschuhe kein reiner Gebrauchsgegenstand. Einerseits Schutz vor Kälte, Schmutz oder Verletzungen, dienten Handschuhe im europäischen Raum andererseits über Jahrhunderte als wichtige Instrumente der Koketterie und Teil der Mode der eleganten Dame. Zu sehen sind wertvolle Exponate aus unterschiedlichen Epochen, darunter auch zeitgenössische Beispiele wie ein Handschuhobjekt von Meret Oppenheim, das den Gegenstand künstlerisch interpretiert.
Allerhand!
Fächer und Handschuhe aus der MAK-Sammlung
9. November 2011 bis 1. Mai 2012
MAK-Studiensammlung Textil