Allein gegen die Mampfia

29. Juli 2019 Kurt Bracharz
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Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat sich vorige Woche ausführlich über eine Werbekampagne von McDonalds erregt, natürlich auf Facebook, wo sonst? In Österreich war von dem Fleischlaibchen-Imperium der sommerliche Italien-Burger „Bella Italia“ mit den Worten „Für echte Mampfiosi“ vorgestellt worden. Die meisten Österreicher hätten das schwache Wortspiel wohl für einen müden und nicht weiter beachtenswerten Scherz gehalten, nicht so Salvini: „Panino ,Estate Italiana’ in Germania: ,Per veri MAFIOSI’ (gioco di parole con ,mampfen’ = sbafare ...). Italiani tutti mafiosi? Che tristezza ... Abbiamo ritrovato orgolio e dignità, indietro non si torna!“

Auch wenn man nicht annehmen muss, dass Salvini seine Facebook-Einträge selbst schreibt, wird der Inhalt doch seine Meinung widerspiegeln. Dass er Österreich für einen Teil Deutschlands hält (die Plakate wurden nur in Österreich affichiert), kann einem Neofaschisten schon einmal passieren, aber wieso liest er aus dem Plakattext heraus, dass darin alle Italiener als Mafiosi eingeschätzt würden? Und was bedeuten eigentlich die Sätze „Wir haben unseren Stolz und unsere Ehre wiedergefunden – wir werden dabei nicht umkehren“? Wann genau hatten die Italiener ihren Stolz und ihre Ehre verloren? Als der Senator auf Lebenszeit Giulio Andreotti, der sieben Mal Ministerpräsident und 21mal Minister in einer italienischen Regierung gewesen war, am 23. Oktober 1999 vom Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer „mafiaartigen Organisation“ freigesprochen wurde, und das trotz des einwandfreien Nachweises, dass er Jahre lang mit den Bossen der Cosa Nostra in Palermo zumindest in Kontakt gestanden hatte? Andreotti wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen, weil die Richter darauf beharrten, dass das Belastungsmaterial für seine Verurteilung nicht ausreiche – dass die Staatsanwälte das ganz anders sahen, nützte gar nichts. Oder waren es Silvio Berlusconis ebenso eindeutige Mafia-Verbindungen, welche die Ehre und den Stolz Italiens beschädigten? Der Mann ist immerhin aktuell Parteichef der Forza Italia.

Heute ist die große Zeit der sizilianischen Mafia vorbei, die bedeutendste Verbrecherorganisation Italiens (oder Europas ohne Russland?) ist die kalabresische ’Ndrangheta (der Apostroph deutet das fehlende A am Wortanfang an, das Wort kommt vom griechischen andros = der Mann). Sie beherrscht die südamerikanischen und afrikanischen Drogenrouten und sie legt ihr Geld in Norditalien an, am liebsten im Lega-Gebiet Lombardei, wo sie mit ihrem unbegrenzten Kapital praktisch in alle Geschäftsbereiche vom Bauwesen bis zur Gastronomie eingedrungen sind. Ist Salvini darauf stolz?

Es gibt noch eine andere Erklärung für die Überreaktion des Innenministers, nämlich sein Bedürfnis nach Ablenkung von aktuellen Vorwürfen, weil seine Partei, die Lega, gerade beschuldigt worden ist, die Russen um 65 Millionen Dollar für ihren Europa-Wahlkampf angeschnorrt zu haben. Die US-Webseite „Buzzfeed News“ hat Audiodateien veröffentlicht, die vermuten lassen, dass der Salvini-Vertraute Gianluca Savoini mit dem Kreml über eine so beträchtliche Finanzspritze, getarnt als Ölgeschäft, verhandelt hat. Das italienische Nachrichtenmagazin „Espresso“ hatte schon im Februar über Geheimgespräche zwischen der Lega und Moskau berichtet. Salvinis Dementi „Ich habe noch nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Wodka aus Russland genommen“ lässt die Möglichkeit offen, dass die Lega das Geld von den Russen bloß nicht bekommen hat.