All the King’s Men...

19. März 2008
23.02.2008 bis  24.03.2008
Bildteil

Der in Bregenz und Lindau lebende Künstler Helmut King hat nach geraumer Zeit mal wieder eine große Ausstellung, und was bei anderen eine Werkschau wäre, kann man bei ihm schon fast eine Heerschau nennen: "All the King’s Men" zeigt eine ganze Armee von bunten Männchen oder wenigstens Gesichtern.

Dass der menschliche Körper Kings eigentliches Thema sei, kann man trotz liebevoller anatomischer Detais im Schritt und sonstwo nicht sagen, denn die farblich immer recht grellen Gestalten sind teils geometrisiert, teils comic-artig verzerrt; manches ist entstanden, indem körperferne Objekte wie Zigarettenschachteln oder Eierkartons zum seriellen Rohmaterial für den Aufbau eines Körpers gemacht bzw. als seine "Haut" verwendet werden.

"All the King’s Men" ist natürlich eine Anspielung auf den berühmten englischen Kindervers über das große Ei Humpty Dumpty, das von der Mauer fällt, auf deren Krone es unvorsichtigerweise Platz genommen hatte, worauf ihm weder die königlichen Fußtruppen noch die Kavallerie ("and all the King’s horses") helfen können, weil das Geschehen beim Aufprall irreversibel ist. Diesen Zeitpfeil setzt King manchmal gut sichtbar in seine Bilder hinein. Andererseits hat es ebenso wenig Sinn, über zerbrochene Eier zu weinen wie über verschüttete Milch.

In eine Serie von ca. 40 Tischlerhobeln hat King expressive Gesichter hineingesehen und durch Bemalung herausgeholt, von denen man sich nun fragt, wieso man sie vorher nicht selbst so deutlich erkennen konnte. Auch Bürolocher haben bei ihm eine Physiognomie bekommen, die man jetzt bei unbemalten Geräten schwer ignorieren kann, während ein Fahrradgepäcksträger kaum noch als solcher erkennbar ist, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.

Das Billigmaterial der Eierkartons ist in nicht ganz so billige Acrylkästchen eingepasst, wie ja viele Arbeiten Kings schon immer sehr sorgfältig präsentiert wurden, was Rahmung oder eben gleich Einkastelung betrifft. Was billiges, nicht-künstlerisches Material betrifft, hat King übrigens auch schon Pappteller für heiße Würstel als Malgrund benützt, die diesmal aber nicht zu sehen sind.

Ein wenig aus dem Rahmen fallen die hölzernen "Wiesel", die als Motiv eigentlich aus der Bemalung einer E-Gitarre enstanden sind, genauer gesagt, eines Teils davon, jetzt aber ein Eigenleben gewonnen haben; sie bilden auch eine Überleitung zu einem anderen Teil von Kings Arbeit, nämlich den Musikbildern. (Die Überleitung besteht darin, dass diese stilisierten Wiesel an "Weasels ripped my flesh" erinnern, den ob seines bizarren Motivs sehr bekannt gewordenen Herb-Cohen-Cover einer Zappa-LP, auch wenn Kings Wiesel ganz anders aussehen.)

Die vom horror vacui erfüllten sechs großen Musikbilder haben die Beatles, The Who und Jimi Hendrix zum Thema, sowie – gleichzeitig eine Anspielung auf Presley wie auf Zappa – die Ansage bzw. Absage "Elvis has just left the building". Und "I’m free" hat für King sowieso noch eine ganz private Bedeutung: Er ist – für ihn recht überraschend – von seiner langjährigen Buchhalterstelle bei einer sozialen Institution "freigesetzt" worden, was ihn zwangsweise zum "freien Künstler" macht, wobei so viel plötzliche Freiheit für den Betroffenen einen stark ironischen Beiklang hat. Aber ein Stück echter Freiheit ist natürlich auch drinnen, wenn man einen Bürojob aufgibt.

Gezeigt werden in Lustenau im Drumherum noch einige Dinge, die in den letzten Jahren da und dort verstreut zu sehen waren: die seinerzeit am Dornbirner Spielboden präsentierten Fußballbilder, Zeichnungen aus der ins Internet gestellten Jahres-Serie "King’s Corner", Kings selbst designte Briefmarken und Vitrinen mit seinen Merchandising-Produkten wie Plastik-Einkaufstaschen mit King-Motiven. Interessant sind auch die Studien zu den Musik- und anderen Bildern, weil diese Zeichnungen teilweise doch erheblich subtiler sind als die finalen Ausführungen in Acryl.

Humpty Dumpty wurde übrigens auch ins Bild gesetzt, allerdings eher am Rande, aber schließlich ist in Lustenau nicht er die Hauptfigur, sondern der King: "Humpty Dumpty saß auf dem Eck, Humpty Dumpty fiel in den Dreck, und auch der König mit seinem Heer (von Hobelnasen und Eierkartonvisagen; Anm.d.Red.) rettete Humpty Dumpty nicht mehr."


Helmut King - All the King’s Men
23. Februar bis 24. März 2008

Galerie Stephanie Hollenstein
Pontenstrasse 20
A 6890 Lustenau

Öffnungszeiten:
Freitag 18 - 21 Uhr
Samstag 17 - 20 Uhr
So/Fe 10 - 12, 14 - 17 Uhr