30. August 2011 - 2:29 / Ausstellung / Archiv 
21. Mai 2011 4. September 2011

Die Vorstellung, die wir uns vom Künstler Alberto Giacometti (1901–1966) machen, haben zahlreiche Fotografinnen und Fotografen entscheidend beeinflusst und mitbestimmt. In den Ausstellungskatalogen, Publikationen und Büchern über den Künstler, die bis heute in schier unüberschaubarer Zahl erschienen sind, fehlen kaum einmal fotografische Porträts des Künstlers oder Aufnahmen, die ihn im Atelier, bei der Arbeit oder mit seiner Frau Annette, seinem Bruder Diego, mit Freunden und Bekannten zeigen. Die unzähligen Fotografien, die vor allem während der 1950er- und frühen 1960er-Jahre von Alberto Giacometti und seinem Atelier gemacht wurden, zeugen allesamt von der Faszination, die der Künstler und sein unmittelbares Arbeitsumfeld auf andere ausüben.

Gegen Ende des Jahres 2008 wurden dem Bündner Kunstmuseum von einem privaten Sammler zwei Mappen mit lose eingelegten Fotografien sowie einer Reihe von Zeichnungen von Alberto Giacometti angeboten. Bei dem bislang unbekannten Material handelte es sich um noch nicht gesehene, zu einem grossen Teil unveröffentlichte Bilddokumente – faszinierende, höchst aufschlussreiche bildnerische Artefakte. Das Angebot erfolgte explizit mit der Intention und dem Wunsch, das Konvolut möge als Ganzes erhalten bleiben und im Kunstmuseum des Heimatkantons Alberto Giacomettis eine bleibende Stätte finden. Auf der Suche nach der Finanzierung bot sich der Unternehmer Remo Stoffel an, der sich schon zuvor bereit erklärt hatte, sich kulturell zu engagieren und das Bündner Kunstmuseum bei sich bietender Gelegenheit zu unterstützen. So erwarb Remo Stoffel das künstlerische Material und überliess es dem Bündner Kunstmuseum als langfristiges Depositum. Damit wird der Giacometti-Bestand des Bündner Kunstmuseums auf ungewöhnliche, aber markante Art und Weise ergänzt und neu akzentuiert.

Die Aufnahmen verschiedener bekannter und unbekannter Fotografinnen und Fotografen – unter anderen Kurt Blum, Henri Cartier-Bresson, Loomis Dean, Robert Doisneau, Douglas Glass, Alexander Liberman, Herbert Matter, Gordon Parks, Man Ray, Jean-Régis Roustan, Ernst Scheidegger – zeigen den Künstler bei der Arbeit in seinen Ateliers in Paris oder in Stampa und Maloja, im städtischen Umfeld von Montparnasse oder in der ländlichen Gegend des Bergells. Sie gewähren Einblick ins menschenleere Atelier sowie auf die Werke Alberto Giacomettis. Einige eher private Aufnahmen berichten auch von der innigen Zuneigung zwischen dem Ehepaar Alberto und Annette.

Der Bestand dieses aussergewöhnlichen Konvoluts fügt der vertrauten Vorstellung neue Facetten hinzu und wirft zum Teil ein überraschendes Licht auf Alberto Giacometti – was das Bild, das man sich bislang vom berühmten Maler und Bildhauer gemacht hat, stellenweise relativiert. In der Ausstellung im Bündner Kunstmuseum in Chur treten die Fotografien und Zeichnungen in einen erhellenden Dialog mit sorgsam ausgewählten, hervorragenden Skulpturen und Gemälden aus Museumssammlungen und Privatbesitz.

Katalogpublikation: "Alberto Giacometti: Neu gesehen", mit Beiträgen von Katharina Ammann, Dieter Koepplin, Nicole Seeberger, Beat Stutzer und Gabriella Zinke. 256 Seiten, ca. 180 Abbildungen, 22 x 28 cm; Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2011. CHF 49.- / CHF 40.- für BKV-Mitglieder (Editionen in Deutsch und Englisch)

Alberto Giacometti - Neu gesehen
21. Mai bis 4. September 2011

Bündner Kunstmuseum Chur
Postplatz
CH - 7002 Chur

W: http://www.buendner-kunstmuseum.ch/

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Alexander Liberman; Alberto und Annette Giacometti im Atelier, Paris, 1951. Silbergelatineentwicklungspapier auf Baryt, 27,9 × 35,3 cm; Bündner Kunstmuseum Chur, Depositum aus Privatbesitz. Copyright © Alexander Liberman Photography Archive, The Getty Res
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Gordon Parks; Alberto Giacometti arbeitet im Atelier, Paris, 1951. Silbergelatineentwicklungspapier auf Baryt, 34,5 × 23,1 cm; Bündner Kunstmuseum Chur, Depositum aus Privatbesitz. Copyright © The Gordon Parks Foundation
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Paola Salvioni Martini; Alberto und Annette Giacometti in Stampa, 1963. Silbergelatineentwicklungspapier auf Baryt, 24,1 × 29,9 cm; Bündner Kunstmuseum Chur, Depositum aus Privatbesitz. Copyright © Paola Salvioni Martini, Milano