Ach gäbe es doch noch mehr Barenboim

23. März 2011 Rosemarie Schmitt
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Obschon es im August in Buenos Aires kaum wärmer als 18 Grad wird, betritt Daniel Barenboim in kurzen Hosen die Bühne des "Sala Beyer", um zu tun, was er in herausragender Manier kann und möchte, er spielt Klavier. Sie glauben ich scherze? Daniel Barenboim in Shorts auf der Bühne? Aber habe ich Sie etwa jemals angeschwindelt, werte Leser?

Nein, und damit werde ich gewiß auch heute nicht debütieren. Ich kann ihn mir sehr gut vorstellen, den kleinen Herrn Barenboim, am 19. August des Jahres 1950, in kurzen Hosen, denn auch in Argentinien sehen Jungs im Alter von 7 Jahren dergestalt gekleidet, recht nett aus.

Genau 50 Jahre später, am 19. August 2000, betritt er die Bühne des "Teatro Colón" um in seiner Geburtsstadt Buenos Aires sein Bühnenjubiläum zu feiern. Und dieses mal sind die Hosen lang, ebenso wie der Abend. Nach 3 Stunden und 13 Zugaben weist Daniel Barenboim das Pubikum verlegen darauf hin, daß das Teatro bedauerlicherweise um Mitternacht schließen müsse. Es war nicht nur ein Konzert, es war ein Ereignis.

Für alle, die am 19. August 2000 nicht in Argentinien sein konnten, und ebenso wie ich, dieses Ereignis verpassten, präsentiert "EuroArts" (im Vertrieb von Naxos) die wundervolle Doppel-DVD "Daniel Barenboim Jubilee Concert in Buenos Aires". Die erste DVD beeinhaltet das Jubiläumskonzert im "Teatro Colón" (inclusive der wunderbaren Zugaben) und auf der zweiten Video Disk (Portrait "Multiple Identities") begegnen Sie Daniel Barenboim in Interviews und der Vielfalt seines Seins. Ich empfehle Ihnen, es mir gleichzutun, und sich die zweite vor der ersten anzusehen, denn dann werden Sie Barenboims Klavierspiel noch intensiver, noch ausdrucksstärker erleben und verstehen.

Die Art, wie Daniel Barenboim musiziert, hat mich tief beeindruckt. Er spielt herrlich erwachsen, verspielt ohne sich zu verspielen, so wahnsinnig unwahnsinnig, ohne große Gesten, doch überaus ausdrucksvoll, mit sanfter Stärke, nicht knapp, doch kurzweilig und nicht "lang lang".

Daniel Barenboim ist keinesfalls "nur" ein grandioser Musiker, er ist auch ein bezaubernder Mensch. Und glauben Sie mir, das eine ist durchaus auch ohne das andere möglich. So kann es geschehen, daß eine nähere "Beschäftigung" mit des Musikers Wesen und Leben die Schönheit der Musik zu trüben imstande ist. Doch bei Barenboim ist dies mitnichten (und mitneffen) der Fall. Der große Wilhelm Furtwängler sagte einst im Jahre 1954, nachdem der junge Daniel Barenboim ihm vorgespielt hatte: "Daniel Barenboim ist ein Phänomen!" Noch im selben Jahr starb Furtwängler, er hatte wohl gesagt, was ihm noch zu sagen wichtig war.

Ach gäbe es doch noch mehr solcher Bäume, solcher Barenboime! Einer der beiden Bäume, verzeihen Sie, der beiden Söhne, ist David Barenboim. Der 1983 in Paris geborene Filius ist ähnlich wie sein Vater, und auch Musiker. Ähnlich deshalb, weil es sehr viele Welten der Musik gibt, und Daniel dies betreffend auf anderen, seinem Vater fernen Kontinenten lebt. Weder für das Klavier, noch für die Klarinette vermochte er sich zu begeistern, doch dann kam die Gitarre... Er studierte in den USA nicht etwa Komposition, sondern Musiktechnik und landete sowohl in Berlin, als auch beim Rap. So produzierte er zum Beispiel das Harris-Album mit dem Titel "Der Mann im Haus". Ein anderer Mann, ein anderes Haus! Ich wage zu bezweifeln, daß es in diesem Falle die Musik ist, die Vater und Sohn so innig verbindet. Es ist gewiß vielmehr der gegenseitige Respekt, das Verständnis für Leidenschaften, das Interesse füreinander, doch in erster Linie die Menschlichkeit und die Liebe.

Ach gäbe es doch noch mehr solcher Bäume, solcher Barenboime!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt