Abracadabra oder Čury mury fuk ?

6. Oktober 2010 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Haben Sie Phantasie, liebe Leser? Nein, ich meine nicht etwa Fantasie, sondern Phantasie im literarischen wie auch im musikalischen Sinne. Mögen Sie Hans Bemmanns "Stein und Flöte", oder die Texte von Hans Christian Andersen und E.T.A. Hoffmann, Griegs "Peer Gynt" und, und, und...? Dann werden Sie auch "Rusalka" lieben!

Diese märchenhafte Oper war das letzte, was von dem tschechischen Komponisten Antonin Dvořák zu seinen Lebzeiten uraufgeführt wurde. Nein, um Himmels Willen! Mitnichten das Letzte, sondern was ich meine ist, daß er nach dieser Uraufführung am 31. März 1901 am Prager Nationaltheater keine weitere seiner eigenen Werke mehr erleben sollte. Mit "Rusalka" verabschiedete sich Dvořák von dieser Welt.

Am 8. September 1841 wurde in der kleinen Gemeinde Nelahozeves in Tschechien der außergewöhnlich liebenswerte Antonin Leopold Dvořák geboren. Auf den meisten Abbildungen, die ich von ihm sah, sieht er grimmig und streng aus. Dieser Eindruck entspricht ganz sicher nicht seiner wahren Natur. Er war durchaus als gestrenger Lehrer bekannt, doch war diese Strenge nur ein kleiner, notwendiger Teil seines Wesens.

Kennen Sie Anna Čermáková? Aber nein, ich meine nicht Anna Ermakova! Das ist die kleine Rothaarige, eine Tochter von Boris. Ich meine die Frau, mit der Antonin Dvořák den Rest seines Lebens verbringen wollte. Dvořák hatte bereits sein dreißigstes Lebensjahr hinter sich gelassen, als er Anna Čermáková (mit Č !) heiratete.

Im Winter seines Lebens zog es Dvořák, wie von Elfenhand geleitet, immer wieder und tiefer in die Einsamkeit der böhmischen Wälder. Dort wollte er sein Lebenswerk vollenden. Als er "Rusalka" plante, ging er jeden Morgen tief in die Wälder hin zu einem verschwiegenen Weiher. Hin zu Nixen, Wassergeistern, Elfen und auch Hexen. Man sagt, dort haben ihm die Nixen ihre Lieder gesungen. Er brauchte sie also nur noch zu Papier zu bringen. Und das Ergebnis war, nein ist, geradezu phantastisch!

Im Sommer letzten Jahres wurde in der britischen "Glyndebourne Festival Opera" Dvořáks "Rusalka" aufgeführt, und im Sommer dieses Jahres präsentiert uns CODAEX die Liveaufnahme dieser Veranstaltung. Ich las vor nicht allzu langer Zeit von dem Pech, das die junge puertoricanische Sopranistin Ana Maria Martinez anlässlich einer Rusalka-Aufführung hatte. Sie, welche die Titelrolle (wie auch bei dieser Einspielung hier) sang, stürzte von der Bühne des Opernhauses von Lewes in East Sussex in den Orchestergraben. Selbstverständlich wurde die Vorstellung sofort unterbrochen (obschon eine Wassernixe auch glaubwürdig aus einem Graben ihre Arien darbringen könnte). Ana Maria Martinez wollte zwar partout die Vorstellung fortführen, wurde aber zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht, wo glücklicherweise keine Verletzungen festgestellt wurden.

Ich gestehe, dies ist die erste Gesamtaufnahme, die ich von "Rusalka" hörte. Wie bedauerlich, daß ich damit so lange wartete, denn Dvořáks Musik ist genauso märchen-und zauberhaft wie die Geschichte dieser lyrischen Oper! Ein wenig schade, daß der Text lediglich in der Originalsprache tschechisch (wie auch gesungen) und in englisch beiliegt. Aber ich bin ja der englischen Sprache, dank meines Englischlehrers, der zugleich auch der Dirigent unseres Musikvereines war, so einigermaßen mächtig. Im übrigen gibt es eine kurze deutsche Inhaltsangabe.

Rusalka, eine Tochter des Wassergeistes Vodnik, hat sich in einen Sterblichen verliebt und wünscht sich nichts sehnlicher, als dessen Frau zu werden. Nachdem Rusalka das "Lied an den Mond" gesungen hat (das kennen Sie bestimmt, wenn Sie es einmal hören!), spricht sie mit ihrem Vater Vodnik über ihren Herzenswunsch.

Vodnik fragt Rusalka: "Are you sad down below the water?" (Bist du es satt unter Wasser zu leben?)
Und Rusalka antwortet: "So sad, I could die." (So satt, ich könnte sterben.)

So wird nun Ježibaba zu Rate gezogen, um die Angelegenheit mit Hilfe ihrer übernatürlichen Kräfte zu regeln.

Ježibaba zu Rusalka: "Is that all you want? You came here crying for that?" (Ist das alles was du willst? Und dafür schreist du hier so rum?)
Rusalka: "Give me a human body, a human soul!" (Gib mir einen menschlichen Körper und eine menschliche Seele.)

Und spätestens beim zehnten Titel der ersten CD wird mir klar, Ježibaba muß eine Hexe sein! Sie sagt (singt) was nur Hexen sagen und singen: Abracadabra! Wissen Sie, liebe Leser, was Abracadabra auf tschechisch heißt? Čury mury fuk. Nicht mit ck! Klingt aber nicht so gut wie Abracadabra, finde ich.

Sie sehen, selbst mit meinem Schulenglisch ist es kein Problem, der Handlung zu folgen! Dennoch werde ich Ihnen nicht verraten, wie das Märchen endet. Nur so viel: Rusalkas Wunsch wird gewährt, sie wird als Frau ihrem Geliebten gegenüber stehen und ihm ihre Liebe wortlos gestehen. Wortlos, denn die einstige Wassernymphe Rusalka ist stumm. Das war ein Teil der Abmachung mit der Hexe Ježibaba. Sollte es Rusalka nicht gelingen, die Liebe des Prinzen zu gewinnen, würde dieser sterben müssen. Rusalka zweifelt nicht daran, aber...

Hören Sie doch selbst und "Čury mury fuk" werden Sie diese Oper lieben!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt