68. Filmfestival Cannes: Nicht nur die üblichen Verdächtigen

13. Mai 2015
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Wie jedes Jahr wartet auch die 68. Auflage des Filmfestivals von Cannes (13. bis 24. Mai 2015) mit einer geballten Ladung an Starregisseuren auf. Heuer findet man im Wettbewerb um die Goldene Palme aber kaum Regisseure, die das Pensionsalter längst erreicht haben. Und nach jahrelanger Kritik hat Festival-Direktor Thierry Frémaux auch weibliche Regisseure stärker berücksichtigt.

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte wird das Filmfestival von Cannes mit dem Film einer Frau eröffnet. Peinlich ist freilich, dass das Festival selbst vom ersten Eröffnungsfilm einer Frau sprach. Nach Diane Kurys mit "A Man in Love" im Jahre 1987 wurde heuer Emmanuelle Bercots "La tête haute" für den prestigeträchtigen und medial vielbeachteten Termin ausgewählt. – Eine etwas überraschende Entscheidung programmierte man an dieser Stelle in den letzten Jahren doch meist spektakuläres Kino wie "The Great Gatsby", neue Filme von Starregisseuren wie Woody Allen oder Wes Anderson oder einen Cannes-affinen Film wie das Biopic "Grace of Monaco".

Deutlich verjüngt gegenüber früheren Jahren wirkt der Wettbewerb. Fand man sonst oft die neuesten Filme von mehreren Regisseuren, die das 70. Lebensjahr schon überschritten haben, im Hauptprogramm, so ist heuer der 68-jährige Hou-Hsio Hsien der älteste Palmenkonkurrent.

Zu den echten Altmeistern kann man neben dem Taiwanesen, der seinen lange erwarteten Martial-Arts-Film "The Assassin" präsentiert, daneben nur noch Nanni Moretti, der "Mia Madre" zeigt, rechnen sowie den Amerikaner Gus Van Sant, der mit "The Seas of Tree" vertreten ist.

Auch schon über 60 ist zwar der Franzose Jacques Audiard, der allerdings erst in den letzten Jahren mit "Un prophète" und "De rouille et d´os" bekannt wurde, und heuer seinen neuen Film präsentiert, dessen Titel "Dheepan" bislang nur als Arbeitstitel gilt. Das Gros der Wettbewerbsregisseure bildet die Generation der 40- bis 50-Jährigen.

Von den Nationen her ist wie gewohnt das Gastgeberland Frankreich mit vier Filmen stark vertreten. Neben "Dheepan" wurden auch Stéphane Brizés "La loi du marché", Valérie Donzellis "Marguerite and Julien" sowie Maiwenns "Mon roi" eingeladen. Die USA dagegen ist von den Regisseuren her nur mit Gus Van Sant und Todd Haynes präsent, dessen Patricia Highsmith Adaption "Carol" eingeladen wurde. Allerdings muss man dazu wohl auch noch die US-Produktionen "Sicario" des Kanadiers Denis Villeneuve und "Louder than Bombs" des Norwegers Joachim Trier zählen.

Aber nicht nur die Anziehungskraft der USA verzerrt die nationale Verteilung der Filme, auch "The Lobster" des Griechen Yorgos Lanthimos kann man kaum mehr als griechischen Film bezeichnen, handelt es sich dabei doch um eine unter anderem mit Colin Farrell und Lea Séydoux hochkarätig besetzte englischsprachige Produktion.

Stark vertreten ist Italien, das neben dem Film Morettis Matteo Garrones "Il racconto dei racconti" und Paolo Sorrentinos "La giovinezza", der ein Wiedersehen mit Janes Fonda und Michael Caine bringt, ins Palmenrennen schicken darf.

Auch Ostasien ist mit Hou Hsiao Hsien, "Mountain May Depart" des Chinesen Jia Zhang-Ke und "Our Little Sister" des Japaners Hirokazu Kore-eda stark vertreten, während für andere Nationen aufgrund dieser Konzentration logischerweise wenig Platz bleibt.

Immerhin gibt es mit Justin Kurzels "Macbeth" noch einen australischen Film, auf den man ebenso gespannt sein darf wie auf das Debüt des Ungarn László Nemes ("Son of Saul"). Filme aus den deutschsprachigen Ländern finden sich nicht im Wettbewerb, allerdings könnte das Line-up in den nächsten Wochen noch um die eine oder andere Produktion ergänzt werden.

Während außer Konkurrenz mit George Millers "Mad Max: Fury Road" und Pete Docters und Ronaldo del Carmens neuem Pixar-Animationsfilm "Inside Out" Spektakelkino ebenso geboten wird wie Woody Allens "Irrational Man", setzt man in der Reihe "Un certain regard" unter anderem mit den Rumänen Radu Muntean ("One Floor Below") und Corneliu Porumboiu ("The Treasure") auf eher sperrige Filmkunst, aber auch beispielsweise mit dem Japaner Kiyoshi Kurosawa ("Journey to the Shore") auf eigenwilliges Genrekino.

Große Namen können und werden freilich sicher noch dazukommen, wenn am 21. April das Programm der Sektion "Quinzaine des realisateurs" bekannt gegeben wird.