60. Berlinale: Moslems zwischen Toleranz und Fundamentalismus

19. Februar 2010
Bildteil

Während Burhan Querbani in "Shahada" drei islamische Geschichten aus Deutschland verknüpft, blickt Jasmila Zbanic in "Na Putu – On the Path" auf eine bosnische Paarbeziehung, die an unterschiedlichen Glaubenseinstellungen zu zerbrechen droht. In fünf Kapitel, deren Überschriften sich an den fünf Säulen des Islam orientieren, hat Burhan Querbani sein Debüt "Shahada" – der Titel wurde vom islamischen Glaubensbekenntnis übernommen – unterteilt. Nicht genug, damit erzählt er auch noch parallel drei Geschichten, die sich lose berühren.

Die Überkonstruktion könnte man ja noch akzeptieren, aber leider funktionieren die drei Geschichten für sich auch nicht wirklich: Die junge Imam-Tochter Mirjam wandelt sich nach einer illegalen Abtreibung, von Schuldgefühlen und Alpträumen gequält, vom lebenslustigen Teenager zur religiösen Fanatikern. Der junge Nigerianer Sammi verdrängt aufgrund der religiösen Vorschriften seine latente Homosexualität und ein Polizist, der seit einem tragischen Unfall bei einem Schusswechsel an Schuldgefühlen leidet, stürzt in eine Beziehungskrise.

In allen drei Geschichten geht es um die Frage nach freiem Handeln und göttlichem Walten, aber auch um ein Plädoyer für Toleranz. Gut gemeint ist das zwar, doch Querbani trägt seine allzu zahlreichen Anleigen auch deutlich vor sich her, vergisst aber völlig Figuren plastischer zu zeichnen oder der Geschichte Fleisch und Blut zu verleihen. Ein unbedarftes Lehrstück fürs Fernsehen ist so entstanden.

Andere Qualitäten hat da schon Jasmila Zbanics zweiter Spielfilm "Na Putu – On the Path". Wie in "Shahada" der für Toleranz plädierende Imam-Vater mit der zunehmend radikaleren Tochter zusammen kracht, prallt auch hier Amar bei einer Familienfeier auf die Oma seiner Geliebten Luna: Als er dem fröhlichen Feiern mit Alkohol eine Absage erteilt, wirft die Oma ihn resolut mit dem Satz "in meinem Haus entscheide immer noch ich, wie gefeiert wird", aus dem Haus.

Zunächst ist freilich Amar alles andere als ein religiöser Fanatiker, trinkt sogar so viel Alkohol, dass er seinen Job im Tower des Flughafens verliert. Eine glückliche Beziehung hat er mit Luna, die als Flugbegleiterin arbeitet. Religion spielt in ihrem Leben keine Rolle. Abends zieht man durch Discos und denkt daran den bislang unerfüllten Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung nach zu helfen.

Auf der Suche nach einem Job läuft er zufällig einem Kollegen aus Kriegszeiten über den Weg. Obwohl dieser sich als radikaler Wahhabit zu erkennen gibt, nimmt Amar das Angebot in einem Camp Computerunterricht zu geben, an. Fast thrillermäßig lernt der Zuschauer diese Welt kennen, als Luna Amar im Camp besucht: Weder Alkohol nocht Zigaretten sind erlaubt, Frauen sind tief verschleiert und lassen Luna an Ninja denken.

Verändert zeigt sich Amar auch als er zu Luna zurückkehrt. Trinkt nicht mehr und geht nicht mehr aus, redet ständig von Sünde, betet regelmäßig und lehnt vorehelichen Geschlechtsverkehr plötzlich ab. Zunehmend kommen Luna so Zweifel an ihrer Beziehung und sie muss eine Entscheidung treffen.

Holzschnittartig gezeichnet bleibt zwar die Welt der Wahhabiten, aber die Geschichte ist konsequent erzählt und hervorragend gespielt. Überzeugende Bilder findet Zbanic für das auch innere Unterwegssein und die nie abgeschlossene Identitätssuche, macht Widersprüche in der bosnischen Gesellschaft sichtbar und klammert auch – auch wenn das nur am Rande angesprochen wird und aufgesetzt wirkt – das Kriegstrauma nicht aus. Das ist kein Film, der mit inszenatorischen Finessen auftrumpfen will, sondern nah an den Menschen ist, und plastisch ihre Probleme herausarbeitet.