59. Berlinale: Kleine Perlen im Forum

13. Februar 2009
Bildteil

Während der Wettbewerb ohne wirkliche Highlights dahin dümpelt, lassen sich im "Forum des jungen Films" immer wieder kleine Perlen entdecken. Zwei Beispiele sind der US-Film "Beeswax" und die schwedische Produktion "Man tänker sitt – Burrowing".

Im Grunde erzählt der Amerikaner Andrew Bujalski in "Beeswax" nicht allzu viel, doch zeigt dieser Film, dass es oft gar nicht um die Story geht, sondern einzig und allein darum, welche Beziehung der Regisseur zwischen Publikum und Filmfiguren aufbauen kann. Es geht um die querschnittgelähmte Jeannie, die als Miteigentümerin einen Secondhand-Laden betreibt und nun befürchtet von ihr geklagt zu werden. So fragt sie ihren Ex-Freund und Jurastudenten Merrill um Rat, wobei die alte Liebe wieder aufflackert. Gleichzeitig zieht Jeannies Schwester und Wohnungspartnerin Lauren in Erwägung als Englischlehrerin nach Kenia zu gehen.

So wird 100 Minuten lang fast nur geredet und am Anfang kann das ganz schön nerven. Doch je länger „Beeswax“ geht, desto sympathischer werden einem die von Laien gespielten Figuren und wachsen einem förmlich ans Herz. Was sie machen oder reden, ist da bald egal, denn da man meint nicht Filmfiguren zuzusehen, sondern echten Menschen, die im Lauf des Films einem zu Freunden zu werden, interessieren einem auch Kleinigkeiten. Dass Bujalski dieses Kunststück gelingt, liegt an seinem liebevollen Blick Bujalskis, an der Nähe der Kamera und der Ausstrahlung der Schauspieler, die eben gerade nie zu spielen, sondern immer zu sein scheinen.

Ein zweites Kleinod im Programm des "Internationalen Forums des Jungen Films" stellt Henrik Hellströms und Fredik Wenzels "Man tänker sitt – Burrowing" dar. Erzählt wird aus der Perspektive des elfjährigen autistischen Sebastian von einigen Bewohnern einer schwedischen Vorstadtsiedlung mit Musterhäuschen und gepflegtem Garten, aber auch besonders über den Voice-over-Kommentar Sebastians über den Jungen und seine Gedanken selbst.

Hinter der gepflegten kleinbürgerlichen Fassade werden da rasch Abgründe sichtbar, wenn Sebastian von Jimmy erzählt, der mit seinem Baby jetzt wieder bei den Eltern lebt, aber keinen Wohnungsschlüssel erhält. Oder wenn er vom joggenden Anders berichtet, der nachts nicht schlafen kann, oder von Mischa, der sich nur um ein paar Jahre hier zu arbeiten kam, jetzt aber schon dreißig Jahre hier ist.

Das Licht fällt in diesem Sommerfilm warm auf die Menschen und die aufgeräumten Bilder unterstreichen noch die durch den Lebens- und Wohnstil nach außen zur Schau getragene Ordentlichkeit und Makellosigkeit des kleinbürgerlichen Lebens, doch im Innern gärt es, und zum Gefängnis oder Straflager machen die Regisseure die Siedlung, wenn sie aus der Vogelperspektive den Grundriss und das Häuschen der Bewohner vorführen. Nur eine Frage der Zeit ist es, bis hier angestaute Aggressionen durchbrechen und sich an anderen oder an sich selbst entladen. - Das mag noch so fragmentarisch sein, gerade weil der Film keine Erklärungen anbietet und vieles offen lässt, gehen er und seine Figuren einem so schnell nicht aus dem Kopf, sondern arbeitet dort weit über das Filmende hinaus weiter.